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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Isa.
    »Eigentlich solltet ihr Kinder haben, findest du nicht? Ich meine, wenn sich Karla schon nicht scheiden lassen will …«
    Hör auf, um Himmels willen! Sie wollte das auch sagen, doch da lag soviel Freundschaft, soviel Zutrauen und Verstehenwollen in diesen Augen, daß sie schwieg.
    »Meinst du nicht?«
    »Was?«
    »Daß ein Kind …«
    Isa schluckte. Ihr Hals war eng geworden. Sie schüttelte wild den Kopf.
    »Aber ich kenne viele Männer, die …«
    »Tina, bitte, ein andermal, ja?«
    »Hab' ich zuviel gesagt?«
    »Nein, nein.«
    Ein tiefschwarzer, wie in Öl schwimmender Freundinnenblick. Die langen Puppenwimpern … Jetzt war Tina auch noch besorgt, zu weit gegangen zu sein …
    »Na, ihr beiden?« Eine schwere Hand legte sich auf ihre Schulter.
    Isa beobachtete Tina, wie sie den Kopf in den Nacken legte und verklärt den Blick über Richard Saynfeldts weiße Seglerhosen, den dunkelblauen Seglerblazer, das weißblau gestreifte Hemd zu dem braungebrannten Gesicht mit den dichten, wirren, graublonden Locken hochwandern ließ.
    »Hast du gewonnen, Ricardo?«
    Richard Saynfeldt hatte zwar schmale Lippen, aber auch damit brachte er ein unbezwingbares Lächeln zustande: »Und ob! Ich bin der vierzehnte Sieger.«
    »Oh, Ricardo …«
    Ja – o Ricardo! dachte Isa und fragte: »Richard, wie lange geht das hier denn noch?«
    »Na, die Ansprachen haben wir hinter uns. Und jetzt, jetzt kommt die Preisverteilung und dann der gemütliche Teil des Abends.«
    »Das schaff ich nicht.«
    »Was schaffst du nicht?«
    »Ich hab' so verdammte Kopfschmerzen, Richard«, dramatisierte sie.
    Seine Brauen wurden flach, und auf der Nasenwurzel stand die berühmte kleine Falte, die sie so gut kannte. »Na hör mal, Isa, das ist doch heute …« Er unterbrach sich und warf einen wissenden Verschwörerblick auf Tina Rossi. Du würdest so was durchstehen, lautete das Signal. »Nun wart mal, bis die anderen ihre Pötte und ich meine Medaille kriege. Dauert ja keine Ewigkeit.«
    Er sprach noch immer nachsichtig und verstehend, er lächelte auch noch immer – aber die Stimmlage hatte gewechselt, so klang wohl die Stimme des Anklägers: »Wenn du mit deinen Kopfschmerzen tatsächlich nicht fertig wirst, na dann – dann brechen wir halt ab.«
    Und damit ging er.
    Noch ein wenig aufrechter als zuvor …
    * * *
    Er stank – aber er lebte.
    Zuerst war es das Motorengedröhn der Mannschaftstransporter gewesen, dann Stimmen, dann das Brechen und Knacken der Äste, als sie in langen Reihen den Wald durchsuchten, das Bellen der Hunde und schließlich das Knattern der Hubschrauber.
    Vor diesen dämlichen Dingern hatte Ladowsky keine Angst. Die fanden ihn nie. Das Schlimmste waren die Hunde. Und vor ihnen hatte er sich noch tiefer in die Höhle gedrückt, so als könne er sich wie ein Maulwurf in die feuchte, modernde Erde graben.
    Die Höhle hatte vielleicht einer Fuchsfamilie gehört, oder sie war einfach so entstanden. Regengüsse zum Beispiel, Wasser, das die Erde weggespült hatte. Es war verdammt naß da drin und nachts schrecklich kalt, die Haut juckte, und der Lehm verklebte seine Haare.
    Aber trotzdem war er dankbar; die Höhle war ein Fingerzeig, die Höhle umschloß ihn, sie würde ihn schützen … Es gab Regenwürmer darin, Spinnen, es gab alles mögliche ekelhafte Viehzeug, und soviel er auch davon zerquetschte, immer kam irgendein neues Krabbeltier aus irgendeiner Ecke oder irgendeinem Loch hervorgekrochen. Aber auch das gehörte dazu, er würde gerettet werden, Gott wollte das so, denn er, Ludwig Ladowsky, hatte schließlich vollbracht, was zu vollbringen war. So wie der kleine Mann, wie das Silberpüppchen am Kreuz. – Genau so …
    Die Hunde allerdings hätten ihn geschnappt, da war er sicher, Polizeihunde riechen alles. Sie wären in die Höhle eingedrungen, hätten ihn angefletscht, gebissen oder hinausgetrieben wie irgendeinen armen Fuchs oder ein Wiesel.
    Doch das hatten sie nicht. Dazu waren sie zu weit entfernt. Die Hunde rannten weiter oben über die beiden Hügel. Hier runter war kein einziger gekommen. Hier gab's zu viele stachlige Brombeerranken. Auch das mußte so sein. Auch das war gewollt – von Gott.
    Er durfte, er würde weiterleben … Er hatte Wurzeln gekaut, irgendwelches Grünzeug, das nicht zu bitter war und das man runterschlucken konnte. Dann endlich, am zweiten Tag, war es wieder ruhig geworden im Wald.
    Er hatte sich gesäubert, so gut er konnte. Aber überall im Gesicht, an Armen und Beinen bildeten
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