Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sabine geht: Abschied und Neustart einer Kommissarin (German Edition)

Sabine geht: Abschied und Neustart einer Kommissarin (German Edition)

Titel: Sabine geht: Abschied und Neustart einer Kommissarin (German Edition)
Autoren: Daniel Holbe
Vom Netzwerk:
[home]
    Daniel Holbe
Sabine geht
     
     
    Frankfurt-Heddernheim, 28. Oktober 2012
     
    Nachdenklich wog Sabine Kaufmann den kleinen runden Handspiegel in ihrer Rechten und erhaschte dabei einen Blick auf ein strahlend grünes Auge, das ihr entgegenblickte, daneben fiel eine blonde Strähne über ihre Wange, denn sie trug die Haare mittlerweile etwas länger.
    »Fotografisches Gedächtnis«, murmelte sie kopfschüttelnd und schob den Spiegel rasch zwischen zwei grüne Handtücher, die obenauf in der braunen Pappkartonkiste lagen, auf deren Seitenwand mit schwarzem Edding BAD vermerkt war.
    Angeblich – das hatte Sabine sich oft genug anhören müssen – verfügte sie über eidetische Fähigkeiten, doch selbst behauptete sie das nur ungern von sich. Zumal die Existenz jener fotografischen Wahrnehmungsfähigkeit noch immer umstritten war. Also gehörte so etwas auch nicht in eine Bewerbung oder in den Lebenslauf – oder doch?
    Ihre Gedanken begannen sich zu drehen, eins nach dem anderen, ermahnte sie sich, dann unterbrach ein lautes metallisches Klappern ihre Grübelei, und sie fuhr erschrocken hoch.
    »Alles in Ordnung?«, rief sie und drehte ihren drahtigen, eins fünfundsechzig großen Körper in Richtung Küche.
    »Ja, nichts passiert«, erklang die sanfte Stimme ihrer Mutter, und unmittelbar darauf schob sich ein magerer, fast schon ausgemergelter Körper durch den türlosen Durchgang. In ihrer Hand hielt sie eine schwarze Porzellantasse, eher schon einen Humpen, aus dem Dampf aufstieg. Sie trottete behutsam zwischen den Umzugskisten und den wenigen Möbelstücken hindurch und stellte die Tasse ohne ein weiteres Wort neben ihrer Tochter auf die fleckige Platte eines runden Glastisches.
    »Danke, Mom«, lächelte Sabine müde. Sie griff nach dem Kaffee, von dem ein wenig überschwappte und auf ihre Hand und die Glasoberfläche spritzte.
    »Verdammt«, fluchte Sabine leise und leckte sich das Daumengelenk ab. Dabei entschied sie grimmig, den Glastisch nicht mitzunehmen, er würde Heddernheim nicht verlassen, jedenfalls nicht in ihrem Wagen.
    »Ich finde es nicht gut, dass du das alles wegen mir auf dich nimmst«, murmelte Hedwig Kaufmann, die sich in der Regel Hedi rufen ließ, leise und schob die drei beigefarbenen Kissen auf dem Sofa eng zusammen, um einen Platz für sich zu finden.
    Es war Sonntag, ein freier Tag, den Sabine Kaufmann mit ihrer Mutter verbrachte, obgleich in ihrem Kopf zurzeit tausend andere Dinge herumspukten, um die sie sich noch zu kümmern hatte. Dazu gehörte auch das Packen der Umzugskartons, denn am Donnerstag war der erste November, und damit würde das Kapitel Frankfurt für die Kommissarin endgültig abgeschlossen sein.
    »Ich mache das nicht für dich«, seufzte Sabine und verdrehte die Augen. »Wie oft muss ich dir das noch sagen?«
    Natürlich wussten beide Frauen, dass das nur die halbe Wahrheit war, aber darum ging es in diesem Augenblick nicht. Sabines Mutter war krank, psychisch und mittlerweile auch physisch. Sie war nie eine starke Persönlichkeit gewesen, die schizophrenen Schübe machten ihr erheblich zu schaffen, und das gelegentliche Sturztrinken tat sein Übriges.
    »Die Stelle in Bad Vilbel ist praktisch ein Aufstieg für mich«, fuhr Sabine fort und hätte sich am liebsten sofort auf die Zunge gebissen. Verdammt, schalt sie sich im Stillen, du wolltest doch nicht in die Rolle Rechtfertigungsrolle verfallen. Schlimm genug, dass sie sich den Wechsel in die Provinz, wie es im Frankfurter Präsidium mit dem einen oder anderen Augenzwinkern kommentiert worden war, selbst noch schönreden musste.
    Ab dem neuen Jahr wollte das Polizeipräsidium Mittelhessen seinen unmittelbar ans Stadtgebiet der Main-Metropole angrenzenden Standort erweitern. Versuchsweise zunächst, zeitlich befristet auf ein Jahr, aber mit guten Aussichten, danach zu einer dauerhaften Präsenz zu werden. Kommissariatsleiter Berger, Sabines Vorgesetzter in Frankfurt, hatte ihr von diesen Plänen erzählt, noch bevor die Stelle ausgeschrieben wurde. Es war kein Geheimnis, dass Sabine Kaufmann sich nach günstigeren Dienstzeiten sehnte, und natürlich hing dies kausal mit dem Gesundheitszustand ihrer Mutter zusammen. Die zweite Stelle würde intern besetzt werden, Sabine kannte weder den Namen noch sonst irgendwen aus der Polizeidirektion Bad Vilbel. Wieder ein neues Team, wieder ein Neubeginn.
    »Ich bin diese enge Bude hier schon lange leid«, nahm sie den Faden wieder auf und ergänzte dann betont
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher