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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Fotos aufgenommen – und da war sie nun, die Evi mit der Traumfigur … Und die hatte sie auch, der hauteng anliegende grüne Latexanzug bewies es. Das Foto jedoch, das unter all den anderen Berling am schwersten erträglich fand, war eine Porträtaufnahme. Sie zeigte Evi mit leicht nach links geneigtem Kopf, die Lider niedergeschlagen, wie in Gedanken, den Mund zu einer lächelnden Frage geöffnet.
    Wieso, Herrgott noch mal, muß sie auch noch derart deiner eigenen Tochter gleichen …?
    Er rollte seinen Stuhl hinüber zum Fenster, bog zwei Gummibaumblätter zurück und starrte hinunter auf den Markt. Die Bauern aus der Umgebung hatten Kartoffeln und Äpfel herangekarrt, Marktfrauen warteten hinter ihren Gemüseständen auf Kunden, Eier gab's, Wurstwaren, Käse und Ökoprodukte und buckliges Pflaster gab es und Fachwerkhäuser – und darüber einen Himmel, der sich langsam diesig zuzog …
    Der Kreuz-Mörder?
    Er dachte an das Kreuz in seinem Plastikbeutel in der Asservatenkammer, an dieses winzige, blutbeschmierte Ding, das er vor drei Tagen der toten Evi Fellgruber von der Brust genommen hatte …
    Es gab noch ein Kreuz: das erste. Man hatte es bei der Leiche einer erdrosselten Dreizehnjährigen gefunden, nördlich von Hannover in einem Waldstück nahe der Autobahn. Damals, vor drei Jahren, hatte es dem Täter, einem jungen Lkw-Fahrer, den Namen ›Kreuz-Mörder‹ eingebracht. Der Mann hieß Ludwig Ladowsky. Ladowsky war zum Zeitpunkt der Tat gerade siebzehn, wurde vom Jugendstrafrichter wegen Totschlags zu vier Jahren verurteilt und nach zwei Jahren wegen guter Führung wieder freigelassen.
    Berling hatte nicht nur das Täterformblatt im Computer, er hatte das ganze Material, das ihm die Kripo Hannover zugetickert hatte, immer wieder durchgelesen.
    Dieser Ladowsky verfügte zwar über das klassische Sexualtäterprofil, aber war er es auch dieses Mal? Oder handelte es sich um einen Nachahmungstäter?
    Berling war sich da nicht so sicher, und genau das war sein Problem.
    Eines jedenfalls stand fest: Du hast nur dann eine Chance, das Schwein festzunehmen, wenn du es heute oder morgen findest. Bei dem Medienrummel nehmen sie dir den Fall ab, dann gibt's eine SoKo, eine Sonderkommission, und du wirst mit deinen drei Hanseln hier auf das reduziert, was du schließlich auch bist: das kleine Licht aus der Provinz.
    Die Tür ging auf, und da stand auch schon Dodo, die Sekretärin, in der ganzen Pracht ihrer frisch gefönten blonden Locken.
    »Der Herbertsheimer ist schon wieder am Telefon«, sagte sie wichtig. »Der vom LKA.«
    »Der kann mich mal.« Leute wie diesen Polizeirat Herbertsheimer vom Landeskriminalamt waren gerade das, was Berling brauchte.
    »Tommi!«
    »Wirklich, Dodo! Er kann mich.«
    »Sei doch vernünftig.«
    Zeigte sie ihre Zähne, dann war Berling klar, daß er schieflag. Aber verdammt noch mal: Drei Fernschreiben hatte er am Samstag dem Leiter der Schutzpolizei bei der Regierungsdirektion und gleich zwei weitere dem LKA zusenden müssen, um überhaupt eine Antwort auf seine Bitte um Verstärkung zu bekommen. Jetzt aber, jetzt trommelten Presse und Fernsehen, und nun konnte ein Typ wie Herbertsheimer nicht genug kriegen.
    Er griff zum Telefon und drückte den Knopf.
    »Berling?«
    »Ja.«
    »Was heißt hier ja? – Sind Sie's?«
    »Ich bin's. Um was geht's?« Den ›Polizeirat‹ sparte er sich.
    »Das fragen Sie im Ernst? Hören Sie mir mal zu, Berling: Sie haben mir meine Leute zurückgesandt und sich denen gegenüber auch, das jedenfalls wurde mir berichtet, alles andere als kooperativ gezeigt. Glauben Sie, Sie könnten beim Präsidenten Punkte sammeln, wenn Sie als Einzelkämpfer auftreten? Wir brauchen Ergebnisse. Der Präsident verlangt baldigen Zugriff. Wir stehen unter einem gewaltigen Öffentlichkeitsdruck.«
    »Jawohl«, sagte Berling.
    »Und wie sehen Sie das? In welchem Zeitraum?«
    »Einen Zeitraum sehen, Herr Oberrat?« Er betonte die beiden Silben des Titels aufreizend langsam.
    »Aber Sie müssen doch ein Konzept haben, Herrgott noch mal? – Na gut, warten Sie ab, bis meine Leute kommen. Ich schick' sie Ihnen wieder. Und überlegen Sie sich inzwischen was. Überlegen Sie schnell und genau, Berling. Das ist der einzige Tip, den ich Ihnen geben kann …«
    Thomas Berling legte den Hörer zurück und ließ die rechte Hand ziemlich lange darauf liegen. Arschloch, dachte er. Der Gedanke an die Wichtigtuer aus Wiesbaden verdüsterte seine Stimmung noch mehr.
    Er stand auf, griff nach
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