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Goldfalke (German Edition)

Goldfalke (German Edition)

Titel: Goldfalke (German Edition)
Autoren: Noreen Aidan
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Sie spürte das Klopfen ihres Herzens in ihrem Bauch, ihren Schläfen, ihrer Kehle.
    Ü berall.
    I hre sonst so tüchtigen Hände waren fahrig vor Aufregung. Beinahe hätte Kiana die Schüssel fallen gelassen, die sie in der Hand hielt. Jetzt bloß keinen Fehler machen, solange drüben im Wohnzimmer ihre Zukunft bestimmt wurde!
    Natürlich war es ihr nicht erlaubt, bei dieser Besprechung dabei zu sein. Sie durfte nur die Speisen durch die Tür reichen. Voll verschleiert in ihrer nagelneuen Burka, dem hellblauen Schleier, der ihren Körper fast vollständig verhüllte. Wie es sich gehörte, da sich nebenan männliche Gäste befanden. Und nun nahm Kiana das leere Geschirr an der Tür von ihrer Tante entgegen, die heute - anders als sonst - mit ihrem Mann bei den Gästen speiste. Vermutlich weil sich Onkel Abdullah nicht abgeben wollte mit den unwichtigen Einzelheiten, die bei der Planung jedes großen Festes zu bedenken waren. Denn das war Weiberkram. Onkel Abdullah kümmerte sich nur um das Wesentliche bei dieser Hochzeit: das Geld, das die Familie des Bräutigams zu zahlen hatte. Falls die Hochzeit überhaupt zustande kam. Schließlich ging es um Kiana. Und die konnte froh und dankbar sein, wenn sich überhaupt ein Mann für sie interessierte.
    Als Tante Shabnam ihr die nächsten leer gegessenen Teller in die Hand drückte, warf Kiana durch das enge Stoffgitter im Augenbereich ihrer Burka einen verstohlenen Blick an ihrer Tante vorbei auf die beiden Gäste. Zusammen mit Onkel Abdullah und dessen Sohn Mustafa saßen sie auf Tante Shabnams besten Teppichen rund um das große Tuch, das nun schon seit zwei Stunden als Unterlage für die ungewohnt üppigen Speisen und Getränke diente. Noch war nichts von Bedeutung gesagt worden, wie man aus den Gesprächsfetzen schließen konnte, die bisher aus dem Wohnzimmer gedrungen waren. Während des Essens wäre das auch nicht zu erwarten gewesen. Doch nun hörte man Onkel Abdullah vollmundig verkünden, was für eine gute Köchin schon Kianas Mutter abgegeben hatte, seine liebe Schwägerin, bevor sie zusammen mit ihrem hoch geschätzten Ehemann - welch ein Unglück! - von einer Bombe der Ungläubigen getötet worden war - mögen die Ungläubigen ewig im Höllenfeuer schmoren!
    Alle s Lüge, wie Kiana wusste. Eine notwendige Lüge allerdings. Denn die Wahrheit hätte die Gäste gleich in die Flucht geschlagen.
    Die Gäste! Kiana kannte sie schon von früheren Besuchen, die beiden hageren Männer mit ihren dichten Vollbärten. Hameed Rustami und sein Sohn Yusuf lieferten seit einem halben Jahr den Großteil der Schafe für Onkel Abdullahs Fleischerei.
    Während Kiana das schmutzige Geschirr neben der Spülschüssel stapelte, wehte Tante Shabnam ohne Vorwarnung in die Küche herein. „Wo bleibt der Tee, Kiana? Sollen die Männer denken, du wärst träge und faul?“ Auch sie trug eine Burka, wie auch ihre Tochter Madina, die neben Kiana stand und Gläser abtrocknete.
    Voll verschleiert in der Küche zu arbe iten war mehr als nur lästig. Es war die reinste Qual. In der Welt draußen hatte man die Bekleidungsvorschriften längst gelockert, doch Onkel Abdullah gehörte zu denen, die es sehr ernst nahmen mit der religiösen Pflicht. Er bestand darauf, dass sich alle weiblichen Familienmitglieder nur voll verschleiert auf der Straße zeigten. Und auch innerhalb des Hauses, wenn fremde Männer anwesend waren. Heute duldete er erst recht keine Nachlässigkeit.
    Wenn so viel auf dem Spiel stand.
    „Es ist kein Wasser mehr da.“ Kiana griff nach dem Eimer. „Ich hole schnell welches.“
    „Sieh zu, dass du dich beeilst!“ Die Tante drehte sich um zu Madina. „Das Geschirr muss schnellstens gespült werden, wenn Kiana sich endlich dazu bequemt, Wasser zu bringen!“ Mit einem Ruck drehte sie sich um und entschwand zurück ins Wohnzimmer. Dabei ließ sie die Tür einen Spalt offen. Wohl um der Nachmittagshitze, die jetzt durch jede Mauerritze des Lehmhauses kroch, ein bisschen Zugluft entgegenzusetzen. Sicher nicht, damit Kiana mithören konnte, was über sie entschieden wurde. Wozu auch? Ihre Meinung spielte sowieso keine Rolle.
    „ Du musst meine Frau entschuldigen“, ertönte Hameed Rustamis kratzige Stimme. „Sie wäre gern mitgekommen, um die Einzelheiten der Planung mit deiner Frau zu besprechen, aber seit ihrem Sturz ist ihr Bein einfach nicht richtig verheilt.“
    „Das ist tragisch“, bemerkte Onkel Abdullah g edehnt, „schon weil sie keine Tochter hat, die ihr zur Hand
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