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Vor Vampiren wird gewarnt

Vor Vampiren wird gewarnt

Titel: Vor Vampiren wird gewarnt
Autoren: Charlaine Harris
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MÄRZ
    Erste Woche
    »Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich dich einfach so allein lasse«, sagte Amelia. Ihre Augen waren verquollen und rot. So sahen sie, mal mehr, mal weniger, schon seit Tray Dawsons Beerdigung aus.
    »Du musst tun, was du tun musst«, erwiderte ich und schenkte ihr ein besonders strahlendes Lächeln. Ich konnte die Schuld, Scham und allgegenwärtige Trauer als schwarzes Knäuel durch Amelias Gedanken trudeln sehen. »Es geht mir schon viel besser«, versicherte ich ihr und hörte mich dann fröhlich immer weiter plappern; irgendwie schien ich kein Ende finden zu können. »Ich kann wieder prima laufen, und die Löcher sind auch alle zugeheilt. Siehst du?« Ich zog meinen Jeansbund ein wenig herunter, um ihr eine Stelle zu zeigen, die herausgebissen gewesen war. Die Zahnabdrücke waren kaum noch zu erkennen, auch wenn die Haut nicht sonderlich glatt und noch deutlich heller war als die umliegenden Partien. Hätte ich nicht eine so enorme Dosis Vampirblut bekommen, würde die Narbe jetzt noch aussehen, als hätte mich ein Hai gebissen.
    Amelia sah hin und schnell wieder weg, als könne sie es nicht ertragen, den Beweis für den Angriff zu sehen. »Es ist nur so, dass Octavia mir dauernd E-Mails schreibt und sagt, ich müsse nach Hause kommen und den Urteilsspruch des Hexenrates, oder was davon übrig ist,akzeptieren«, sagte sie hastig. »Und ich muss mir all die Reparaturen an meinem Haus mal ansehen. Seit wieder ein paar Touristen da sind und die Leute zurückkommen und ihre Häuser wieder aufbauen, ist auch der Laden für Magie wieder geöffnet. Ich kann dort Teilzeit arbeiten. Außerdem, so sehr ich dich mag und so gern ich hier wohne, seit Tray tot ist...«
    »Glaub mir, ich versteh dich.« Wir waren das Ganze schon ein paar Mal durchgegangen.
    »Es ist nicht so, dass ich dir die Schuld daran gebe«, sagte Amelia und versuchte, meinen Blick aufzufangen.
    Sie gab mir wirklich nicht die Schuld. Da ich ihre Gedanken lesen konnte, wusste ich, dass sie die Wahrheit sagte.
    Nicht mal ich gab mir, zu meiner eigenen Überraschung, vollständig die Schuld daran.
    Gut, es stimmte, dass Tray Dawson, Amelias Freund und ein Werwolf, getötet worden war, während er als mein Bodyguard fungierte. Und es stimmte auch, dass ich das in meiner Nähe lebende Werwolfrudel um einen Bodyguard gebeten hatte, weil sie mir einen Gefallen schuldeten und mein Leben beschützt werden musste. Aber ich war dabei gewesen, als Tray Dawson von der Hand eines schwertschwingenden Elfen getötet wurde, und ich wusste, wer dafür verantwortlich war.
    Ich fühlte mich also nicht direkt schuldig. Aber ich war tief unglücklich darüber, dass ich zusätzlich zu all den anderen schrecklichen Erlebnissen auch noch Tray verloren hatte. Meine Cousine Claudine, eine vollblütige Elfe, war ebenfalls in dem Elfenkrieg gestorben, und da sie wirklich und wahrhaftig mein Schutzengel gewesen war, vermisste ich sie in vielerlei Hinsicht. Und sie war schwanger gewesen.
    Mich quälten starke Schmerzen und alle möglichen Gefühle des Bedauerns, körperlich wie seelisch. Während Amelia mit den Armen voller Kleider die Treppe hinunterlief, stand ich in ihrem Schlafzimmer und versuchte, mich zu sammeln. Schließlich richtete ich mich gerade auf und griff nach einem Karton voll Badezimmerkrimskrams. Langsam und vorsichtig stieg ich die Treppe hinunter, und so schaffte ich es bis nach draußen zu Amelias Auto. Sie hatte gerade die Kleider über die Kartons gebreitet, die schon im Kofferraum standen, und drehte sich um.
    »Das sollst du doch nicht!«, rief sie besorgt. »Deine Wunden sind noch nicht alle verheilt.«
    »Mir geht's gut.«
    »Ganz und gar nicht. Du schreckst immer zusammen, wenn jemand überraschend ins Zimmer kommt, und ich merke doch, dass deine Handgelenke noch wehtun«, sagte Amelia, griff nach dem Karton und schob ihn auf die Rückbank. »Außerdem verlagerst du dein Gewicht immer noch aufs linke Bein und hast Schmerzen, wenn es regnet. Trotz all des Vampirbluts.«
    »Die Schreckhaftigkeit vergeht wieder. Und mit der Zeit verblassen die Erinnerungen, dann denk ich auch nicht mehr ständig daran«, sagte ich zu Amelia. (Wenn die Telepathie mich eines gelehrt hatte, dann, dass die Menschen die gravierendsten und schmerzlichsten Erinnerungen in sich begraben konnten, wenn man ihnen nur genug Zeit und Ablenkung gab.) »Es ist ja nicht einfach das Blut irgendeines Vampirs. Es ist Erics Blut. Ein sehr wirksames Zeug. Und meine
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