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Die Gilde der Diebe

Titel: Die Gilde der Diebe
Autoren: Tom Becker
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ermutigend«, knurrte Carnegie sarkastisch. »Dann ist es wohl das Beste, wenn ich die Führung übernehme.«
    Er streckte die Hand aus, um das Tor aufzustoßen, aber Correlli hielt ihn zurück.
    »Diesmal nicht«, flüsterte er ruhig. »Nicht bei diesem Mann. Ich übernehme die Führung.«
    Der Feuerschlucker zog einen langen, gekrümmten Dolch aus seinem Gürtel und öffnete mit der freien Hand das rostige Tor. Dann führte er sie auf das Jahrmarktgelände.
    Selbst bei der schummrigen Beleuchtung war eindeutig zu erkennen, dass seit langer Zeit niemand mehr den Jahrmarkt betreten hatte, um mit einem Fahrgeschäft zu fahren oder ein Spiel zu spielen. Hohes Gras und Unkraut umspielten Jonathans Füße und der Wind pfiff durch die klaffenden Löcher in den Leinenzelten. Im Vorbeigehen warf Jonathan einen Blick auf die Buden und entdeckte verblasste und verschmutzte Schilder, die auf Ringelspiele, Pfeilwerfen und einen Glückshafen hinwiesen. Das Tätowierzelt war verlassen und an der Wand waren die Skizzen möglicher Motive bis zur Unkenntlichkeit verblasst.
    Die Gilde marschierte einen breiten, grasbewachsenen Weg entlang und suchte angestrengt die Dunkelheit nach dem Magier ab. Aber Mountebank war nirgends zu sehen. Nach zehn Minuten erfolgloser Suche rief Correlli alle zusammen.
    »Bei dem Tempo brauchen wir die ganze Nacht«, erklärte er. »Wir müssen uns aufteilen.«
    »Ist das eine gute Idee?«, fragte Jonathan ängstlich.
    »Nein, aber wir haben keine andere Wahl. Uns läuft die Zeit davon. Also, du und Raquella, ihr bleibt bei Carnegie. Der Rest von uns schwärmt aus. Wenn ihr auch nur ein Haar von Mountebank entdeckt, dann ruft laut. Wir kommen dann angerannt. Und denkt daran, mit wem wir es hier zu tun haben. Schärft eure Sinne und lasst euch um Rippers willen nicht ablenken.«
    Alle nickten und gingen dann ihrer Wege.

    Verv schlich an einer Reihe Buden vorbei und machte leise Motorengeräusche. Weit weg vom Steuer, ohne Zügel, an denen er zerren, oder einem Gaspedal, das er durchtreten konnte, langweilte er sich. Zu Fuß ging alles so langsam. Insgeheim war es Verv herzlich egal, ob sie den Magier fanden oder nicht, er wollte nur so schnell wie möglich wieder zu seinem Omnibus und auf die Straße zurück.
    »Psst! Verv!«, flüsterte eine Stimme. Sie klang wie Correlli. Der Fahrer drehte sich um und beschrieb beinahe einen vollständigen Kreis. Die Stimme kam aus einer Holzhütte, in deren Wände kleine Gucklöcher geschnitten waren. Ein Schild auf dem Dach kündete von »Miss Margheritas Menagerie der Missgeburten – Schauen Sie auf eigene Gefahr rein«. Verv trottete näher heran.
    »He, Boss, was machst du da drinnen?«
    »Ich bin gefangen!«, erwiderte die Stimme. »Sieh selbst!«
    Verv kratzte sich am Kopf. Correlli hatte sie alle ermahnt, vorsichtig zu sein, und nun war er selbst in einer Missgeburten-Bude gefangen! Gut, dass Verv in der Nähe war, um ihn aus dem Schlamassel zu befreien. Der Fahrer presste sein Gesicht gegen die Wand und blickte durch die Löcher. Von dem Feuerschlucker war nichts zu sehen, nur eine verhüllte Gestalt war in der Dunkelheit zu erkennen. Verv wollte sie gerade fragen, wer sie sei, als sie eine Taschenuhr herauszog und sie hin und her pendeln ließ.
    »Das ist eine schöne Uhr, nicht wahr, Verv?«, flüsterte die Gestalt sanft. »Sieh nur, wie sie glänzt. Da könnte man beinahe alles andere vergessen, oder?«
    Verv hätte zustimmend genickt, wenn er nicht zu sehr damit beschäftigt gewesen wäre, die Uhr anzustarren. Er bestaunte den Glanz ihrer silbernen Oberfläche und die bedächtige Art, wie sie durch die Luft schwang. Andere Gedanken, wie die an Magier, Geiseln oder gar jene an Geschwindigkeit, trieben davon wie Wolken im Sommerwind, als Vervs Welt von einer Taschenuhr verschlungen wurde.

    Nachdem sie sich über die Frage zerstritten hatten, welche Richtung sie auf der Suche nach Mountebank einschlagen sollten, marschierten die Zwillinge eisigschweigend nebeneinander her und hüpften leichtfüßig über die verhedderten Halteseile der Zelte. Es war Fray, die das Gebäude entdeckte, dessen Tür im Wind schlug. Sie tippte ihrer Zwillingsschwester auf die Schulter und deutete darauf.
    »Ich wette, er versteckt sich dort. Sieht genau wie die Art von Rattenloch aus, in dem er sich wohlfühlt.«
    Nettle zuckte mit den Schultern, und das war schon das Äußerste an Zustimmung, was man von ihr erwarten konnte. Seit sie Mountebanks Betrug entdeckt hatten, war ihre
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