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Die Gilde der Diebe

Titel: Die Gilde der Diebe
Autoren: Tom Becker
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erbarmungslos in seinen Ohren.
    Plötzlich neigte sich das Fuhrwerk steil zur Seite. Verv bog mit vollem Tempo von der Hauptstraße ab. Der hagere Mann stolperte und beide krachten gegen die Reling, die das Oberdeck umspannte. Jonathan fand sich mit dem Kopf nach unten hängend wieder. Er sah, wie die Pflastersteine an ihm vorbeiflogen, und blickte in die entsetzten Gesichter der Passanten. Die Finger um seinen Hals lockerten sich für eine Sekunde. Dabei gelang es Jonathan, genügend Kraft zu sammeln, um seinem Angreifer die Schulter in den knochigen Brustkorb zu rammen. Er wurde mit einem »Uff« belohnt, als diesem die Luft aus den Lungen entwich. Der hagere Mann jaulte vor Schmerz auf und rutschte weiter über die Reling. Noch immer hielt er Jonathans Hals fest. Gleich würde er sie beide in die Tiefe reißen.
    Da krachte aus dem Nichts etwas Großes auf die Stirn des hageren Mannes und beförderte seinen gesamten Körper über die Reling. Im Fallen packte er Jonathan am Hemd. Dieser musste sich an der Reling festklammern, um nicht mitgerissen zu werden. Eine Sekunde lang sahen sie sich in die Augen, bevor dieFinger des hageren Mannes endgültig nachgaben und er auf den Bürgersteig fiel.
    Halb kniend drehte sich Jonathan um und erwartete, Carnegie hinter sich zu sehen. Doch es war die Dame in dem violetten Kleid. Sie ließ ihren Regenschirm sinken, zupfte sich den Rock zurecht, setzte sich energisch wieder hin und bedachte Jonathan mit einem warnenden Blick.
    »Wenn du noch mal störst, dann fliegst du hinterher. Verstanden? Ich bin schon spät genug dran.«
    Jonathan war zu sehr außer Atem, um ihr zu antworten, und nickte lediglich. Er ließ sich neben Carnegie fallen und rieb sich den Nacken. Vor seinen Augen tanzten die Sternchen wie bei einem Feuerwerk. Der Wermensch blickte immer noch nicht auf.
    »Sind wir bald da, Junge?«
    Jonathan lehnte den Kopf gegen die Bank.
    »Weiß nicht«, keuchte er. »Ich hoffe es.«

25
    Der Omnibus fuhr ohne Pause weiter: ein rücksichtslos lärmendes Ungetüm. Sie rasten von den überfüllten Straßen des Stadtzentrums in die Randbezirke Darksides. Der Sommerabend neigte sich seinem Ende entgegen und Arbeiter entzündeten die Straßenlaternen. Die Häuser duckten sich vor den verborgenen Gefahren der Nacht. Auch zu dieser späten Stunde war es immer noch unangenehm heiß, und Jonathan war froh über die kühle Brise, die über das Oberdeck wehte.
    Sie fuhren weiter, bis es keine Straßenlaternen mehr gab, die Straße breiter wurde und in der Dunkelheit leicht anstieg. Dem Schaukeln des Fuhrwerks nach zu urteilen, wurde der Weg löchriger und holpriger. Vor ihnen wand sich die Straße hinab zum Ödmoor. Jonathan betrachtete den Horizont. Die Silhouette eines großen Tieres hob sich von den knorrigen Bäumen ab. Die Kreatur warf ihren Kopf zurück und heulte laut auf. Carnegie hob den Kopf und seine Augen funkelten.
    »Sind da! Sind da!«
    Am vorderen Ende des Fuhrwerks hüpfte Verv auf und ab und deutete auf eine weite Fläche, auf der eine Zeltstadt errichtet worden war. Spinozas Jahrmarkt lagdunkel und verlassen da. Nur um ein großes Zelt am anderen Ende war ein Ehrenspalier aus brennenden Kohlepfannen aufgestellt.
    Dem unteren Abteil des Fuhrwerks entstiegen die Mitglieder der Gilde und eine kleine Gruppe verwirrter Passagiere. Als Jonathan und Carnegie vorsichtig die Stufen vom Oberdeck hinabstiegen, der eine mit aufgeschürftem Nacken und der andere immer noch seekrank, warf ihnen Correlli einen verwunderten Blick zu.
    »Was ist denn mit euch beiden passiert?«
    »Frag lieber nicht«, murmelte Carnegie. Der Wermensch schob seinen Hut zurecht und musterte das Eisentor vor sich.
    »Hier also versteckt sich der Magier, richtig? Sieht wie ein angemessen scheußliches kleines Versteck aus. Gibt es irgendetwas, das wir über diesen Ort wissen sollten, bevor wir reingehen? Ich hasse Überraschungen.«
    Correlli zuckte mit den Schultern.
    »Der Jahrmarkt wurde vor Jahren geschlossen und seitdem ist dieses Gelände verwaist. Ich war seit Ariels Tod nicht mehr hier. Es gibt hier einfach … zu viele Erinnerungen. Trotzdem, Mountebank kennt dieses Gelände wie seine Westentasche, und niemand kann sagen, was er im Schilde führt. Tatsächlich würde es mich wundern, wenn er uns nicht jetzt in diesem Moment beobachten würde.«
    Jonathans Nackenhaare stellten sich auf. Er sah sich am Eingang des Jahrmarkts um in der Hoffnung, den verräterischen Albino zu entdecken.
    »Überaus
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