Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Gilde der Diebe

Titel: Die Gilde der Diebe
Autoren: Tom Becker
Vom Netzwerk:
›links‹ zu ihm gesagt!«
    »Du verlogene Schlange! Ich habe ›rechts‹ gesagt, du warst diejenige, die ›links‹ gerufen hat!«
    Als sie Jonathan sahen, hörten sie auf, sich zu schubsen, rannten auf ihn zu und umarmten ihn stürmisch.
    »Du hast es geschafft! Nachdem dein Vater uns erzählt hatte, was geschehen ist …«
    »… sind wir so schnell wie möglich hierhergekommen. Wir haben sogar eine Kutsche entführt!«
    Correlli tauchte hinter Jonathans Schulter auf und grüßte die Zwillinge.
    »Hallo, die Damen!«
    Beim Anblick des Feuerschluckers wichen die Zwillinge zurück.
    »Es ist in Ordnung!«, warf Jonathan hastig ein. »Ich habe mich getäuscht. Nicht Correlli hat uns betrogen. Es war Mountebank, er hat seinen Tod nur vorgetäuscht!«
    »Was?«, kreischte Nettle.
    Fray kicherte triumphierend.
    »Habe ich doch gesagt.«
    »Verzeiht ihr mir?«, fragte Correlli mit hochgezogener Augenbraue.
    Fray umarmte ihn stürmisch, während Nettle ihn widerwillig willkommen hieß. In dem ganzen Durcheinander tauchte ein wuscheliger Kopf langsam hinter der Dachreling des Omnibusses auf.
    »Wenn du dich nicht beeilst und dieses Höllengefährt bald besteigst, Junge«, brummte eine tiefe Stimme unheilvoll, »dann kriegen wir ein ernsthaftes Problem.«
    »Carnegie!«, rief Jonathan.
    Der Rest der Gilde und Raquella zwängten sich in den unteren Teil der Kutsche, während Jonathan über die schmale Wendeltreppe hoch zum Oberdeck der Kutsche lief. Eine kleine Gruppe gekidnappter Passagiere kauerte auf der rechten Bank: ein großer Mann, der ständig mit sich selbst sprach, eine Frau in einem tief ausgeschnittenen violetten Kleid, die äußerst empört dreinblickte, und ein hagerer alter Mann mit trüben Augen. Auf der anderen Seite hockte Carnegie auf dem Boden und klammerte sich mit leicht grünlicher Gesichtsfarbe an die Reling.
    »Hallo, Junge«, murmelte er matt.
    »Du siehst aber nicht gerade gut aus.«
    »Busse. Ich hasse Busse. Jetzt geh und sag diesem dämlichen Fahrer, wenn er noch eine Kurve so nimmt wie die letzte, dann schmeiße ich ihn auf die Straße und walze ihn platt.«
    Jonathan klopfte dem Wermenschen mitfühlend auf die Schulter und kletterte nach vorne, wo Verv hockte. Der Fluchtfahrer hatte sich eine etwas unauffälligere und altmodischere Darksidekluft angezogen, die seinen knallrosa Irokesenschnitt noch deutlicher zur Geltung brachte. Bei Jonathans Anblick klatschte er begeistert in die Hände.
    »Zurück auf dem Kopfsteinpflaster«, kicherte er, klapperte mit den Zähnen und hüpfte auf seinem Sitz auf und ab. »Wie in alten Zeiten! Wo geht’s jetzt hin?«
    »Zum alten Jahrmarkt kurz vor dem Ödmoor. Und, Verv?«
    Der Fahrer blickte auf.
    »Megaschnell bitte, in Ordnung?«
    Verv schnappte sich die Zügel und trieb die Pferde an. Sein fröhliches Kriegsgeheul übertönte das empörte Wiehern der Tiere. Der Omnibus krachte vom Bürgersteig auf die Straße herunter und schleuderte Jonathan nach hinten. Er konnte seine Füße nicht unter Kontrolle bringen und stolperte auf die Kante des Oberdecks zu. Plötzlich packte ihn eine kalte Hand und riss ihn zurück. Jonathan drehte sich um und sah den hageren Mann, der ihn mit einem seltsamen Blick anstarrte.
    »Danke, Sir. Ich wäre beinahe über Bord gegangen.«
    Der Mann lächelte und entblößte dabei sein Zahnfleisch, das so stark blutete, dass seine Zähne eine ungesunde rote Farbe angenommen hatten.
    »Das wollen wir aber nicht, nicht wahr?«, keuchte er. »So ein appetitlicher kleiner Junge wie du.«
    Er schnellte nach vorne und legte seine langen Finger um Jonathans Hals. Jonathan versuchte, um Hilfe zu rufen, aber er bekam keine Luft. Über dem lauten Klappern der Räder auf dem Kopfsteinpflaster konnte er sich nicht bemerkbar machen. Verzweifelt wedelte er mit den Armen und versuchte, Carnegie auf sich aufmerksam zu machen, aber der Wermensch hielt seinen Kopf zwischen seinen Händen verborgen und blickte nicht auf.
    Schwarze Punkte bildeten sich vor Jonathans Augen. Er versuchte, die Finger des Mannes von seinem Hals zu lösen, aber dessen Griff war zu stark. Der Mann lächelte mit hungriger Vorfreude.
    »Ich habe den ganzen Tag darauf gewartet, etwas zu essen zu bekommen«, keuchte er. »Ich hoffe, du warst es wert.«
    Jonathans Kopf kippte nach hinten, als der Sauerstoff knapp wurde. Seine Füße fühlten sich taub an, und er wusste, dass ihm nur noch wenige Sekunden blieben, bevor er ohnmächtig werden würde. Der Wind heulte und rauschte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher