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Die Gilde der Diebe

Titel: Die Gilde der Diebe
Autoren: Tom Becker
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Stimmung noch schlechter als sonst. Fray wagte nicht einmal, daran zu denken, was geschehen würde, wenn ihre Zwillingsschwester den Magier zu fassen bekäme.
    »Hör zu«, flüsterte sie. »Wir haben keine Ahnung, was uns da drinnen erwartet. Wir sollten uns irgendeinen Plan zurechtlegen.«
    »Hier ist mein Plan: Wie wäre es, wenn du mir einfach aus dem Weg gehst?«
    »Warte …!«
    Nettle schüttelte unsanft ihren Arm ab, stapfte auf das Gebäude zu und verschwand darin. Fray war so perplex, dass es einige Sekunden dauerte, bis sie ihr folgte und sich in einem dunklen Durchgang mit glatten Wänden wiederfand. Sie stolperte weiter und stellte fest, dass der Gang sich krümmte und wand wie ein Labyrinth. Ihre Zwillingsschwester war nirgends zu sehen.
    »Nettle?«
    Das Licht ging an. Fray schnappte nach Luft. Hunderte von Frays starrten sie an. Egal, wo sie hinsah, erblicktesie sich selbst. Sie machte einen kleinen Schritt nach vorne in einen vermeintlichen Durchgang und prallte gegen eine Scheibe. Wo sie hergekommen war und wo sie hingehen musste, blieb ein Rätsel. Sie hatte vollständig die Orientierung verloren. Im Spiegel vor ihr bewegte sich etwas und Nettle starrte sie an.
    »Das ist das Spiegelkabinett!«, rief Fray.
    Nettle schnalzte verärgert mit der Zunge.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass du draußen auf mich warten sollst!«, rief sie verdrossen. »Du musst mir einfach überall hin folgen, oder?«
    Fray wurde blass.
    »Was ist denn jetzt schon wieder los?«, keifte ihre Zwillingsschwester. »Willst du, dass ich komme und dich rette?«
    Aus dem Nichts war Mountebank aufgetaucht und lehnte lässig neben Nettle an der Wand. Der Magier grinste.
    »Nettle!«, schrie Fray. »Er ist hinter dir!«
    Nettle drehte sich um, aber es war zu spät: Mountebank hatte ihr eine Decke über den Kopf geworfen. Als ihre Zwillingsschwester wie wild um sich trat und schrie, stürmte Fray vor, um ihr zu helfen, und krachte mit voller Wucht in den nächsten Spiegel. Benommen wischte sie sich mit der Hand über die Stirn und stellte fest, dass sie blutete.
    Auf der anderen Seite des Spiegelkabinetts lag Nettle zusammengesunken auf dem Boden. Der Magier beugte sich über ihren Körper und lachte unverhohlen über Frays verzweifelte Versuche, zu ihm zu gelangen.Sie würde ihm das Lächeln schon austreiben, wenn sie ihn zu fassen bekäme. Fray stürzte gegen den nächsten Spiegel, der in tausend Stücke zerbrach. Sie blutete nun stark, aber es kümmerte sie nicht. Wenn nötig, würde sie alle Spiegel in der verfluchten Halle zerbrechen. Nettle war schon zum Greifen nahe. Mit einem schrillen Schrei stürzte sich Fray über ihre Schwester hinweg auf Mountebank.
    Ein Arm schnellte von hinten hervor, packte sie an den Haaren und brachte sie laut krachend zu Fall. Sofort legte sich Mountebanks Arm um ihren Hals und drückte zu.
    »Erste Regel der Magie, mein kleines Vögelchen«, zischte er ihr ins Ohr. »Nichts ist so, wie es scheint. Und nun wollen wir mal sehen, ob wir dir nicht ein wenig die Flügel stutzen können.«
    Fray spürte, wie ihr ein feuchter Lappen auf den Mund gepresst wurde und ihr ein ätzender Geruch in die Nase stieg. Übelkeit überkam sie und sie begriff, dass Mountebank sie beide erwischt hatte.

    Während Antonio Correlli zwischen den verwaisten Attraktionen umherlief, fühlte er sich auf seltsame Weise ruhig, ja geradezu friedvoll. Er fühlte sich, als habe man eine große Last von seinen Schultern genommen. So viele Jahre lang hatte er sich gefragt, was in jener schicksalhaften Nacht zwischen Ariel und Mountebankvorgefallen war. Es hatte Zeiten gegeben, bittere Momente der Einsamkeit in Kneipen, zu denen er dem Magier fast geglaubt hätte, dass die Frau, die er geliebt hatte, sie betrogen hatte. Aber nun kannte er die Wahrheit: Ariel war ermordet worden, und es war an der Zeit, sie zu rächen.
    Correlli hatte die Suchmannschaft hauptsächlich aus diesem Grund aufgeteilt. Er wusste, dass Mountebank hinter ihm her war, und er wollte nicht, dass sich jemand einmischte. Deshalb machte der Feuerschlucker auch keinerlei Anstalten, sich im Verborgenen zu halten, marschierte in der Mitte des Weges und hielt eine brennende Fackel hoch. Schließlich kam er an dem großen rotweiß gestreiften Turm vorbei, um den sich die Riesenrutsche schlang. Von oben hörte er jemanden pfeifen. Er kannte die Melodie, es war ein Trauermarsch.
    Correlli legten den Kopf in den Nacken. Oben sah er Mountebank, der sich über die Plattform
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