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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen
Autoren: Amma Darko
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Tat? Ich opferte die Hühner, eines in meinem Zimmer und ein anderes am Fundort der Leiche. Ich habe das Blut vermischt. Baby Ts Blut mit dem der Opfergaben. Die Geräusche in meinem Kopf hätten danach eigentlich aufhören müssen. Aber es hat nicht gewirkt. Ich habe immer und immer wieder Bilder von dem gespaltenen Stein, aus dem Blut tropft, vor mir gesehen. Ihr Geist sitzt in meinem Kopf. Sie ist immer bei mir, ich werde sie nicht mehr los. Vielleicht jetzt, nachdem ich hierher gekommen bin und darüber gesprochen habe. Vielleicht fällt die Last jetzt von mir ab. Glauben Sie, ich werde ihren Geist wieder los?»
    Sylv Po erwiderte: «Wissen Sie was? Halten Sie das Gespräch, vor dem Sie solche Angst haben, mit dem alten Mann da oben.»
    Maami Broni blickte düster drein. «Mit wem?»
    «Mit Gott. Bitten Sie Ihn um Vergebung. Wenn Er echte Reue in Ihrem Herzen spürt, dann wird Er auch dafür sorgen, daß das Geräusch des Steins, der gegen Stahl schlägt, aus Ihrem Kopf verschwindet. Dann werden Sie von der Last des Geistes des toten Mädchens befreit.»
    Kabria wachte mitten in der Nacht schweißgebadet auf. Sie hatte mit dem Gedanken gespielt, sich jetzt endgültig von Creamy zu trennen und vielleicht Adade dazu zu überreden, etwas für einen gebrauchten Tico draufzulegen. Creamy spürte offensichtlich, was in seiner Madam vorging. Er zeigte seine Traurigkeit auf seine Weise. Er tauchte in Kabrias Träumen auf. Und wie!
    In Kabrias Traum machte jemand ein sehr großzügiges Angebot für Creamy. Kabria war überglücklich, tätschelte Creamys Armaturenbrett zum letzten Mal und verabschiedete sich von ihm. Creamys neue Besitzerin fuhr mit ihm davon. Sie hatte noch etwas vor mit dem alten Käfer. Am Tag darauf passierte etwas Merkwürdiges. Creamy tauchte wieder zu Hause auf und parkte an seinem üblichen Platz. Die Käuferin war vollkommen außer sich. Creamy sei einfach von selbst davongefahren, behauptete sie. Sie war hinter ihm hergerannt und hatte versucht, ihn einzuholen, aber je näher sie an ihn herankam, desto schneller wurde Creamy. Sie bat Kabria, sie über die Juju-Versicherung aufzuklären, die sie offensichtlich auf ihn abgeschlossen hätte. «Adade! Ich habe gerade einen Alptraum wegen Creamy gehabt», schrie Kabria auf.
    «Schön für dich», lautete die Antwort.
    Adade hatte jenen Abend, an dem Kabria nicht zu Hause gewesen war, noch nicht verwunden. Jener Abend, an dem Ottu ihm ohne Umschweife ins Gesicht gesagt hatte, daß sie alle im Auto auf dem Heimweg von der Schule beschlossen hatten, daß sie sich an Daddy wenden würden, wenn sie etwas brauchten. Daß er einmal beides für sie sein müßte, Mummy und Daddy, so wie Mummy es oft sein mußte, wenn Daddy nicht da war. Und Adade, der gewohnt war, daß ihm schon an der Tür die Aktentasche abgenommen wurde, der sich gemütlich aufs Sofa fallen ließ und in Kabrias immer offene Ohren stöhnte, wie müde er war, hatte sich tatsächlich einmal nicht nur um sich selbst, sondern auch um die Kinder kümmern müssen. Warum sollte er jetzt, wo alles wieder seinen normalen Gang ging, sich einen Traum ausgerechnet über Creamy anhören?
    Es war schon nach Mitternacht, als Kabria endlich wieder einschlief. Und nur einige Kilometer entfernt Sodom und Gomorrha erneut zum Leben erwachte.

Begriffserklärungen
     
     
     
    Accra: Hauptstadt Ghanas, weit über zwei Millionen Einwohner
    Akpeteshie: Traditioneller Zuckerrohrschnaps
    Charlie wotee: leichte Plastiksandale, Slipper
    Circle: Nkrumah Circle, verkehrsreicher Platz in Accra
    Compound: Häusergruppe mit Innenhof
    Emancipation Day: Am 1. August 1834 entließ die Englische Regierung alle Sklaven ihrer Kolonien in die Freiheit. Dieses Ereignis wird in Ghana wie in vielen anderen Ländern Afrikas und der Karibik gefeiert.
    Ga: Die Bevölkerung von Acrra gehört mehrheitlich dem Volk der Ga an.
    Haussa: Islamisches Händlervolk, das vor allem im Norden Nigerias, aber auch in anderen Ländern Westafrikas zu Hause ist
    Juju: In Westafrika weitverbreitete Bezeichnung für Fetische und Masken mit magischer Kraft
    Kenkey: Gesäuerte Maisbällchen in Bananenblättern
    Sakora: Pidgin-Englisch für glattrasiert
    Sunyani: Stadt im Westen Ghanas, Region Brong Ahafo, ca. 60.000 Einwohner
    Upper Region: Gegend im Norden Ghanas an der Grenze zu Burkina Faso
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