Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen
Autoren: Amma Darko
Vom Netzwerk:
das Fofo erbettelt oder gestohlen oder sogar am Tag zuvor verdient hatte, in die eigenen Taschen. Und das Ganze nannten sie dann «Reinhaltegebühr».
    Während sie noch bequem ihr Geschäft auf der Toilette mit dem Dach darüber verrichtete, spürte sie plötzlich einen leichten Druck auf ihren Brüsten. Von Händen, die ganz bestimmt nicht die des Allmächtigen waren. Allmählich kehrte sie zurück in die Wirklichkeit. Sie blinzelte. Da war ein Mann. Sie regte sich nicht und schloß die Augen wieder. Sie verließ sich ganz auf ihren Instinkt. Seine Hand wanderte allmählich und zielgerichtet hinunter zu ihrem Bauch. Ihr Herz klopfte so wild, als würde es jeden Moment in ihrer Brust explodieren. Die Hand wanderte weiter. Sie verließ sich noch immer auf ihren Instinkt, schlug die Augen auf und starrte in das Gesicht über ihr. War sie noch bei Sinnen? Sie sah noch einmal hin. Es war Poison, der Herrscher der Straße schlechthin. Sie schrie und schlug und trat um sich. Eine riesige, muskulöse Hand legte sich hart auf ihren Mund und ließ keinen Laut mehr durch. Die andere Hand hielt ihre Arme fest. Der Schutzengel, der immer noch zusah, vergoß eine Träne. Poison schaffte es, ihre Beine zwischen seine Knie zu klemmen.
    «Du willst doch am Leben bleiben», zischte er. Fofo stöhnte und nickte unter dem Gewicht seiner Hände. «Dann verhalte dich ruhig.»
    Fofos Gedanken rasten. Das Schicksal verlas ihr das Evangelium der Weisheit der Straße. Sie gab ihre ohnehin schwache Gegenwehr auf, seufzte tief und ließ los. Poison grinste. Die Selbstsicherheit eines Narren. Die Torheit des Bösen. Fofo lag da wie eine bezwungene Seele. Poison schob ihr Kleid hoch, sein Blick verfinsterte sich beim Anblick der Unterhose. «Verpißte Fotze», murmelte er und riß ihr die Hose vom Leib. Poison löste seinen Gürtel. Doch dann stieg der Engel herab. So schnell und plötzlich, daß selbst Fofo ihn nicht kommen sah. Ihr rechtes Bein traf auf Fleisch. Ihr linkes Bein trat gegen Muskeln. Ihre Fäuste hämmerten und schlugen in die verschiedenen Teile des Gesichts, sie trafen beides, Weichteile und Knochen. Als sie wieder zu sich kam, schwankte die große, muskulöse Gestalt über ihr, mit einer Hand griff der Mann sich an die Hoden, die andere hielt er schützend über ein offensichtlich verletztes Auge. Poisons Gesicht war verwüstet, sein Gesichtsausdruck schmerzverzerrt. Fofo sprang auf und griff nach der schwarzen Plastiktüte neben ihr. Sie warf noch einen kurzen Blick auf die stöhnende Masse am Boden, ließ ihre Unterhose Unterhose sein und schoß davon, als sei ihr der Leibhaftige auf den Fersen.
    Odarley, Fofos Freundin, schlief noch tief und fest, als sie merkte, wie sie jemand am Arm berührte, ganz sachte, dann etwas fester. Sie stöhnte widerwillig und blinzelte. Ihr Kopf dröhnte vom Saufgelage der vergangenen Nacht. Sie fuhr mit der Hand über den Bauch nach unten. Sie hatte ihre Hose an. In den Holzverschlag fiel etwas Licht, weil die Tür wie immer offen stand. Der Raum hatte keine Fenster, und bei geschlossener Tür hätten sie sich totgeschwitzt oder wären womöglich erstickt. Jeder Bewohner bezahlte 200 Cedis an den Besitzer, mehr konnten sie sich nicht leisten. Um Nachmieter brauchte sich dieser keine Sorgen zu machen, es gab täglich neuen Bedarf. Jungen und Mädchen schliefen in einem Raum. Odarley drehte den Kopf. Der junge Schuhputzer, der sie vorletzte Nacht im Videocenter so heftig in Besitz genommen hatte, schlief noch tief, fest und splitternackt. Genau wie die Eiswasserverkäuferin neben ihm. Sie zählte zwei und zwei zusammen und begriff sofort, warum sie noch ihr Höschen trug. Im Suff hatte sie der Schuhputzer mit dem Eiswassermädchen verwechselt. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit jetzt einer Erscheinung zu, die ihren Arm tätschelte, und entschloß sich, ihre Augen ganz zu öffnen.
    «Fofo, du? Was machst…?»
    «Psst…» Fofo legte den Zeigefinger auf die Lippen.
    Odarley richtete sich von ihrem Pappkarton auf und rieb sich die Augen. Von fern war eine Autohupe zu vernehmen, sie erinnerte an eine Sirene, die zur Arbeit rief. Odarley erhob sich.
    Fofo verließ den Verschlag auf leisen Sohlen, Odarley folgte, an der Tür hielt sie kurz inne, um ihren «Charlie wotee» aus einem Bündel herauszuziehen. Sie schlüpfte in ihre Schuhe und trat mit Fofo ins Freie. Sie überlegte kurz und ging noch einmal hinein.
    Neben dem Haufen Schuhe stand ein großer Plastikkanister mit Wasser. Sie nahm eine alte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher