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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen
Autoren: Amma Darko
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Plastiktasse und goß sie voll. Draußen, am notdürftig ausgehobenen Rinnstein, wusch sie sich das Gesicht und spülte den Mund aus.
    «Hast du schon?» fragte sie Fofo.
    Fofo schüttelte den Kopf.
    Odarley nahm einen Kaustab, reichte Fofo einen zweiten, kaute kurz darauf herum, spuckte in den Rinnstein und flüsterte: «Hast du Ärger?»
    «Ziemlich großen.»
    Odarley überlegte. Vielleicht hatte die Gemüsefrau, bei der Fofo arbeitete, herausgefunden, daß sie eine Taschendiebin war.
    «Was denn für einen Ärger?» fragte sie. «Und welcher Ärger hier in Sodom und Gomorrha ist nicht groß? Wenn ich dir sage, wie wir gestern gesoffen haben! Das bedeutet echt großen Ärger. Und die Natur fordert auch schon ihren Tribut.» Sie hielt sich den Bauch. «Komm, auf zur Müllhalde.» Sie ging voran.
    Eine paar Kinder und einige Erwachsene waren schon da und erledigten ihre Geschäfte unter den prüfenden Blicken von Schweinen und Geiern, die schon früh auf den Beinen waren. Fofo und Odarley fanden noch ein freies Plätzchen. Odarley kam gleich zur Sache. Fofo hob ebenfalls das Kleid und hockte sich hin. Odarley, die sie dabei beobachtete, platzte heraus: «Du hast ja keine Unterhose an!»
    «Laß uns schnell machen, damit wir wegkommen, bevor Macho auftaucht. Du weißt, wie er neuerdings mit den Leuten umspringt, oder?» antwortete Fofo.
    «Ehrlich», schimpfte Odarley. «Wo macht denn Macho selbst hin? Der ist doch bescheuert. Wo sollen wir denn sonst hingehen?»
    «Er will, daß wir zu der öffentlichen Toilette gehen. Wohin sonst?»
    «Schwachsinn. Warum geht er mit seinen Jungs nicht selbst dahin? Das ist doch viel zu weit, wenn’s drückt.»
    «Wem sagst du das. Und da ist immer eine lange Schlange. Ach. Selbst um Mitternacht stehen die Leute an.»
    «Deshalb machen manche ja auch beim Warten in die Hose. Das ist nicht wie beim Hunger, zu dem du sagen kannst: Nun warte halt noch ein bißchen. Hier ist es so: Wenn es sagt, schnell, ich komme, dann kommt’s. Zack! Einfach so! Da ist nichts mit Warten!»
    «Und dann ist es manchmal noch so, daß du gerade dabei bist und machst und bist noch gar nicht fertig, dann kommen diese Wachleute und wollen dich wegscheuchen, weil die anderen warten. Aber das ist doch nichts, womit du mittendrin aufhören kannst, nur weil jetzt die anderen warten!»
    «Hmm.» Odarley konzentrierte sich jetzt auf ihre Angelegenheiten.
    Fofo hingegen hatte offensichtlich ein anderes Problem. «Odarley, glaubst du, der liebe Gott beobachtet uns?»
    «Oh, es heißt doch: Er sieht alles. Warum fragst du das? Du hockst da und stellst blöde Fragen. Also, ich bin jedenfalls gleich fertig.»
    «Was? Jetzt schon?»
    «Sag mal, willst du eigentlich riskieren, daß Macho hinter dir hergrapscht mit seinen Armen, so fett wie Maami Adzorkos Kenkey-Bälle?»
    Fofo gab keine Antwort.
    «Fofo!» rief Odarley.
    «Hmm?»
    «Ich bin jetzt gleich fertig.»
    Fofo antwortete noch immer nicht.
    «Du hoffentlich auch?»
    «Nein.»
    «Nein? Warum nicht?»
    «Woher soll ich’n das wissen? Es geht nicht.»
    «Aha. Was hast du denn gestern gegessen?»
    «Wann gestern?»
    «Zum Frühstück.»
    «Brot.»
    «Und am Nachmittag?»
    «Brot. Zuckerbrot.»
    «Oh je. Und am Abend? Du brauchst gar nichts zu sagen. Ich bin sicher, nur ein Stückchen von Kwansima Fantes Butterbrot. Stimmt’s?»
    «Ja.»
    «Hm. Du hast also Brot, Brot und nichts als Brot gegessen? Und was dazu?»
    «Wasser. Gestern hatte ich einen schlechten Tag.»
    «Dann gib’s gleich auf und laß uns gehen. Du weißt doch, daß du dich nur selbst bescheißt, wenn du versuchst, deinen Magen zu überlisten. Inzwischen hat sich das ganze Brot da drin in Beton verwandelt. Laß uns gehen!» Dabei raschelte sie mit einem Stück altem Zeitungspapier.
    Fofo geriet in Panik und stöhnte.
    «Hey, drückst du etwa?»
    «Was soll ich denn machen?»
    «Na, du wirst schöne Betonsäulen hinsetzen.» Odarley stand auf.
    «Laß mich nicht allein, bitte.»
    «Ich warte ja, aber du brauchst zu lange. Hörst du nicht die Lastwagen knattern? Macho kann jeden Moment…»
    «Alles ab-hau-en! Er kommt!» schrie jemand.
    Alles, was laufen konnte, stob davon, selbst die Schweine und Geier.
    Odarley war schon etliche Meter gerannt, bevor Fofo überhaupt auf die Beine kam. Und da war Machos blanker Schädel bereits in Sicht. Fofo fuhr erschrocken hoch und stürzte los.
    «Du hast deine Plastiktüte liegen lassen!» schrie Odarley. «Guck nur, jetzt hat er sie.»
    Fofo drehte sich um.
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