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Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen
Autoren: Amma Darko
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diskutieren. Willst du wirklich weg von der Straße? Hast du dir das gut überlegt?»
    «Weg von der Straße, was heißt das genau?»
    «Was das heißt? Zuallererst heißt das, daß du dich von deinen alten Freunden lossagen mußt.»
    «Auch von Odarley?»
    «Wahrscheinlich. Vielleicht kannst du sie später, wenn du dich selbst in deinem neuen Leben eingerichtet hast, davon überzeugen, auch ihr Leben zu ändern», antwortete Dina.
    «Muß ich dann bei dir ausziehen?»
    «Ja.»
    Fofo runzelte die Stirn. Das gefiel ihr offensichtlich gar nicht.
    Dina fügte deshalb schnell hinzu: «Auch wenn du dieses Angebot nicht annimmst, wirst du ausziehen müssen, wir können dich nicht bei uns behalten. Aber du bist jederzeit ein willkommener Gast. Und wir vier würden dich auch regelmäßig besuchen.»
    Fofo überlegte kurz und erklärte dann: «Dann mache ich’s.»
    «Wunderbar!» rief Dina aus. «Gehen wir’s gleich an!» Sie wedelte mit einem Stoß Papiere in der Hand. «Hier steht alles drin», fuhr sie fort. «Was möchtest du machen? Willst du wieder zur Schule gehen?»
    «Nein! Ich kann nicht in die Schule gehen.»
    «Du kannst nicht oder du willst nicht?» fragte Dina.
    «Es gefällt mir nicht. Ich will nicht.»
    «Wie sieht’s aus mit etwas weniger Formellem?»
    «Was heißt das, weniger formell?»
    «Naja, du kannst auch gleich einen Beruf lernen, wenn dir das lieber ist. Und nebenbei dein Lesen und Rechnen verbessern. Das wird dir im späteren Leben helfen.»
    Fofo schien wenig begeistert.
    «Wir können dich nicht dazu zwingen, aber darüber nachdenken kannst du doch, oder?» drängte Kabria.
    Fofo nickte.
    Dina kam zum nächsten Punkt. «Die Organisation bietet folgende Ausbildungen an: Schneiderin, Friseurin, Catering oder Perlenmachen. Was würde dir gefallen?»
    Fofo zuckte mit den Schultern.
    «Das können wir nicht für dich entscheiden», erklärte Kabria.
    «Catering würde mir gefallen», erwiderte Fofo nach einer Weile.
    Dina notierte das. «Der nächste Punkt ist die Auskunft über die familiären Hintergründe», stellte sie fest.
    «Darum kümmert sich doch die Organisation selbst, oder?» fragte Vickie.
    «Wenn ihnen noch nichts vorliegt, ja. Aber wenn wir sie bereits mit Informationen versorgen können, ist es umso besser für Fofo. Besonders wenn man bedenkt, wie sehr wir uns in ihrer Familie schon engagiert haben», antwortete Dina.
    «Was genau wollen die eigentlich wissen?» fragte Aggie.
    «Das Übliche. Warum und wie sie auf die Straße geraten ist. Die Aussichten, wieder in ihre Familie zurückkehren zu können. Diese Dinge.»
    «Glaubst du denn, daß du eines Tages wieder bei deiner Mutter wohnen kannst?» wollte Kabria von Fofo wissen.
    «Niemals!» stieß Fofo hervor.
    Kabria lächelte. «Man soll nie nie sagen, Fofo.»
    Dina befand, daß man dieses Thema getrost auf später verschieben konnte. «Fofo, man erwartet von dir, daß du dich einer umfassenden Untersuchung im Kore-Bu-Hospital unterziehst. Die wollen wissen, ob du…»
    «Aids. Ob ich Aids habe», unterbrach Fofo.
    «Es geht nicht nur um Aids», erklärte Dina.
    «Ich hab kein Aids.»
    «Fofo, hör mal zu. Es gibt noch andere Krankheiten, die durch Geschlechtsverkehr übertragen werden. Nicht nur Aids. Es gibt noch den Tripper, Syphillis, Herpes… »
    «Aber warum soll ich den Test machen?» rief Fofo.
    «Weil sie wissen müssen, was los ist. Dann kann man das, was heilbar ist, behandeln», erklärte Kabria geduldig.
    «Und das Unheilbare?» schnappte Fofo.
    «In diesem Fall wird man dich beraten, wie du am besten weiterlebst. Du hast doch Sex gehabt da draußen auf der Straße. Oder?»
    Fofo starrte ins Leere.
    «Schau mal.» Kabria faßte das Mädchen an der Schulter. «Unsere Aufgabe hier ist nicht, dich zu beurteilen oder gar zu verurteilen. Doch wir müssen uns der Realität stellen, ich glaube nämlich, daß du sehr sorglos und auch dumm damit umgegangen bist. Wir können uns das nicht einfach wegwünschen und so tun, als wäre nichts gewesen. Verstehst du das?»
    Fofo murmelte etwas vor sich hin.
    «Weißt du», fuhr Kabria fort. «Es kann doch auch herauskommen, daß du keine dieser Geschlechtskrankheiten hast.»
    «Und was ist, wenn doch?» stammelte Fofo.
    Kabria hielt sie fest im Arm. «Wenn es Tripper ist oder Syphillis, dann kann es geheilt werden.»
    «Und wenn es Aids ist?»
    «Das besprechen wir, wenn es soweit ist.»
    Dina erlaubte allen eine kurze Verschnaufpause und wandte sich erneut den Formularen zu.
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