Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gesichtslosen

Die Gesichtslosen

Titel: Die Gesichtslosen
Autoren: Amma Darko
Vom Netzwerk:
Seh ich so aus, als wollte ich sterben? Brauchst du ein Opferlamm?»
    «Dann hilf mir wenigstens, an ihn heranzukommen!» drängte Onko. Dem Kioskbesitzer rief er zu: «Noch zwei für Kpakpo auf meine Rechnung, bitte.» Er griff in seine Hosentasche, holte ein Bündel Geldscheine heraus und steckte es in Kpakpos Hemdtasche. Kpakpo starrte in das leere Glas, dann auf die Geldscheine in seiner Tasche, dann in Onkos Gesicht. «Was willst du eigentlich von mir?» winselte er.
    «Ich bin verzweifelt», gab Onko unumwunden zu.
    Kpakpo ließ den Kopf gequält hängen. «Ich kann dich nicht hinbringen, aber ich kann dir den Weg zu Mama Abidjan zeigen. Gib ihr etwas Geld, dann bringt sie dich zu ihm. Sie weiß über dich Bescheid, deshalb kann es sein, daß sie sich erst einmal sträubt. Also zeig ihr erst das Geld, bevor du sagst, was du von ihr willst. Es geht nur mit Geld. Hast du das verstanden? Kapiert? Geld?»
    «Ich bin vorbereitet», antwortete Onko. «Ich habe alles zusammengekratzt, was ich besitze. Ich habe sogar ein paar persönliche Sachen versetzt.»
    Mama Abidjan blickte Onko finster an. Nur weil ein Kind sein eigenes Ding in den Nachttopf macht, heißt das noch lange nicht, daß es immun ist gegen den Gestank eines anderen Pißpotts, der ihm unter die Nase gehalten wird.
    «Was willst du denn hier?» zischte sie.
    Onko vertraute ganz auf Kpakpos Rat. Er hielt ihr das Bündel Scheine hin. Mama Abidjans Augen gingen flink hin und her und blieben dann daran haften. Sie sah Onko direkt ins Gesicht und betrachtete wieder das Bargeld. «Wofür ist das?» brachte sie schließlich hervor.
    Onko antwortete nicht sofort. Er nahm vorsichtig Mama Abidjans Hand und drückte das Geld hinein. «Empfiehl mich bei Poison als einen potentiellen guten Kunden», erklärte er. «Ich zahle gut. Ich werde ein treuer Kunde sein. Ich will sie. Ich liebe sie. Ich will meine Baby T.»
    Baby Ts Reaktion beim Anblick von Onko versetzte Maami Broni einen Stich ins Herz. Sie ließ sich aber nichts anmerken, denn Poison war mitgekommen.
    «Ich habe so etwas erwartet, nach dem, was ich von Mama Abidjan gehört habe», erklärte Poison Onko. «Deshalb bin ich mit hierher gekommen. Schließlich willst du Stammkunde werden. Aber das hier kostet extra.»
    «Das zahl ich», antwortete Onko.
    Poison kannte seine Kundschaft, aber Maami Broni hatte sich trotz ihrer langen beruflichen Erfahrung nicht vorstellen können, daß der Mann, dem Baby T und ihre Schwester einst so sehr vertraut hatten, Baby T so aus der Fassung bringen könnte. Ihr hysterisches Geschrei begann Poison auf die Nerven zu gehen. «Ich habe auch noch andere junge und hübsche Schülerinnen wie Baby T. Wenn sie dich nicht will, dann schaust du dir eben mit mir noch ein paar andere an.»
    Onko schüttelte vehement den Kopf. «Sie oder keine. Ich zahle das Doppelte. Oder meinetwegen das Dreifache.»
    Er begann, unter Poisons gierigen Adleraugen, bereits das Geld zu zählen.
    Plötzlich sah Poison rot. Er riß Onko das Geld aus der Hand und schrie Baby T an: «Entweder du machst es ihm jetzt schön oder ich schicke dich an den Circle zum Arbeiten.»
    Die Arbeit am Circle war die Hölle.
    Die Bordsteinschwalben mußten härter und aggressiver rangehen, um potentielle Kunden zu finden, als etwa bei Maami Broni, wo die Kunden ins Haus kamen. Gelegentlich gab es am Circle Polizeirazzien. Wenn ein Mädchen einen normalen Mann mit einem potentiellen Kunden verwechselte, konnte ihr das Beleidigungen und Drohungen oder sogar Schläge einbringen. Die Konkurrenz zwischen den Mädchen war groß. Das Leben dort war gefährlich. Es war schon vorgekommen, daß ein Mädchen mit einem Freier weggegangen war und später ihr Leichnam irgendwo gefunden wurde. Es kam auch vor, daß ein Mädchen an einen sogenannten Brokeman geriet, der es nicht nur ablehnte, für die an ihm vollbrachten Dienste zu bezahlen, sondern das Mädchen auch noch ausraubte. Und der Streetlord zwang die Mädchen, bestimmte Mindestsummen für ihn zu erwirtschaften, ob bei Regen oder Sonnenschein. Kurz: Am Circle zu arbeiten bedeutete, daß man zur Spreu gehörte, die vom Weizen getrennt worden war, daß man ein Auslaufmodell war.
    Jugend und Schönheit waren auf Baby Ts Seite. Und sie genoß einen guten Ruf. Sie gehörte nicht zur Spreu.
    «Ich gehe nicht zum Circle!» schrie sie.
    «Dann bediene ihn!» befahl Poison.
    «Nein!»
    «Warum nicht?»
    «Ich mach es nicht.»
    Zack, da hatte sie die erste Ohrfeige. Andere folgten in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher