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Die Geschichte von Zoe und Will

Die Geschichte von Zoe und Will

Titel: Die Geschichte von Zoe und Will
Autoren: Kristin Halbrook
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sauge seinen Duft in mich ein, der beinahe den widerwärtigen Geschmack in meinem Mund überlagert. Als Will mich neben dem Auto absetzt, nehme ich seine Hände und presse seine blutigen Knöchel an meine Wangen, in der Hoffnung, sie würden eine Kriegsbemalung auf meiner Haut hinterlassen.
    »Gehen wir, Will.«
    Will öffnet mir die Tür, und ich schlüpfe ins Auto. Als er den Wagen anlässt und die Scheinwerfer angehen, werfe ich einen Blick zurück zur Veranda. Mein Dad liegt auf der Seite, Blut tropft ihm aus der Nase, klebriges Rot, gemischt mit Whiskey und Rotze.
    Er sieht uns nach, wie wir davonfahren.

WILL
    »DU RIECHST IRGENDWIE, na ja, nach Kotze«, sage ich ihr.
    »Das liegt wohl daran, dass ich mich auf dem Rasen übergeben habe.«
    »Ist dir schlecht?« Ich umklammere krampfhaft das Lenkrad. Der Tsunami an Energie ist weg, aber die Wut hängt mir nach wie eine streunende Katze, die man einmal gefüttert hat, und die jetzt immer wiederkommt. »Sch… Zoe, das ist doch ein Zeichen für eine Gehirnerschütterung, oder?« Ich sehe zu ihr hinüber. Sie wirkt müde, wie sie gegen die Beifahrertür gelehnt dasitzt. »Hey, schlaf noch nicht ein, okay? Hier, trink etwas Wasser. Aber nicht einschlafen. Ich finde, du solltest noch ein bisschen wach bleiben.«
    Meine Augen sind nicht mehr auf die Straße gerichtet. Sie spritzt sich Wasser in den Mund. Kurbelt das Fenster runter und spuckt es aus. Ich drehe ihr Gesicht zu mir. Untersuche ihre Schläfe, sehe aber nicht besonders viel in der Dunkelheit des Wagens. Nicht dass ich wüsste, wonach ich überhaupt suchen muss. Ich wünschte, ich würde es wissen. Ich wünschte, ich würde etwas Nützliches wissen, irgendwas. Ich fahre mit dem Daumen ihren Kieferknochen entlang und fluche. Die Reifen treffen auf den losen Kies am Seitenstreifen. Ich konzentriere mich wieder auf die Fahrbahn. Bei dem plötzlichen Schlenker ächzt Zoe.
    »Tut mir leid. Tut mir leid. Schlaf einfach noch nicht ein.«
    Nein, sie soll wirklich nicht einschlafen. Aber ich will, dass es für sie so bequem wie möglich ist. Ich habe ein paar zusätzliche Kissen und Decken aus dem Vorratsschrank im Heim mitgehen lassen. Hatte das Gefühl, ich verdiene mehr zum Abschied als den Arschtritt, den ich vom Staat bekommen habe. Sobald wir aus der Stadt raus sind, drehe ich mich zur Rückbank und ziehe ein Kissen und eine Decke nach vorne.
    »Hier«, sage ich. »Stell den Sitz zurück und entspann dich. Wart aber noch eine Stunde, bevor du einschläfst, okay? Ich fahr einfach noch eine Weile weiter.«
    »Nein, ich will die ganze Nacht mit dir zusammen wach bleiben«, sagt sie und lächelt mir zaghaft zu. Ein Zoe-verzeiht-Lächeln. Mein schlechtes Gewissen ist mittlerweile mein neuer bester Freund. Ich hätte ihren Dad nicht verdreschen dürfen. Ich hätte mich zurückhalten müssen. Aber ich konnte nicht anders. Ich hab’s so verdammt satt, zusehen zu müssen, wie er sie grün und blau prügelt. Ihr Gesicht ist völlig im Arsch mit der geschwollenen Lippe und dem fiesen blauen Fleck unterm Auge. Und sie schlägt nie zurück. Hat sich noch nie gewehrt, kein einziges Mal. Sie braucht mich.
    Zoe betrachtet das Kissen, das ich ihr gegeben habe. »Ist das deins?«
    Sie denkt, ich hab’s gestohlen. Nein, nehme ich mir jetzt nicht zu Herzen. Sie hat recht. Der Beweis sind tausend Dollar, die in diesem Moment ein Loch in eine Papiertüte unter meinem Sitz brennen.
    »Wir hatten welche übrig«, sage ich ihr. »Keine Sorge. Wir haben einen ganzen Schrank voll von diesen Dingen. Brandneues Zeug. Alles gekauft von deinen Steuergeldern. Keine Sorge.«
    Zoe lacht. Es muss ihr wehtun zu lachen, ihr Kopf muss wehtun und ihre Lippe auch, aber ihr Lächeln ist unglaublich. Es bringt jeden zum Strahlen. Sogar mich. Jetzt.
    »Ich habe nie Steuern gezahlt. Durfte nie arbeiten, schon vergessen?«
    Ich schalte einen Gang runter, als wir an ein Stoppschild kommen, aber dann überfahre ich es doch. Wir haben keine Zeit anzuhalten. Wer weiß, wer uns alles auf den Fersen ist.
    »Natürlich nicht. Und das wirst du auch nicht müssen, verstanden? Darum kümmere ich mich, sobald wir in Vegas sind. Ich finde eine Arbeit. Irgendwas. Ich kümmere mich um die Rechnungen. Deine Aufgabe ist es, die Schule fertig zu machen, deinen Abschluss zu schaffen oder die Abendschule oder was auch immer, um aufs College zu gehen. Du bist zu schlau, um so zu enden wie ich: nämlich dumm.«
    Sie will Krankenschwester werden, hat sie mir schon tausend
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