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Die Geschichte von Zoe und Will

Die Geschichte von Zoe und Will

Titel: Die Geschichte von Zoe und Will
Autoren: Kristin Halbrook
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ZOE
    ER DÜST IN SEINEM CAMARO die Straße entlang, schlingert nach links und rechts über die kürzlich frisch aufgeschüttete Schotterstraße und kommt schlitternd vor meinem Haus zum Stehen. Er fährt so schnell, dass mein Dad ganz sicher aus seinem Vollrausch erwacht und mich erwischt, bevor ich aus dem Haus schlüpfen kann.
    »Verdammt, Will, willst du ihn etwa aufwecken?«, zische ich, als er aus dem Wagen steigt und die Tür zuknallt.
    Will blickt zu meinem Fenster hoch und geht über den knirschenden Kies auf mich zu, während er den Schlüsselbund um seinen Finger kreisen lässt.
    »Ach, komm schon, der hat doch schwerer getankt als jeder Truck«, witzelt er mit einem dämlichen Grinsen.
    Ich verdrehe die Augen und schiebe mich aufs Fensterbrett.
    Der Reißverschluss an meiner Reisetasche und die Schnalle an meinem Kosmetikkoffer sind fest geschlossen. Das Fliegengitter bereitet mir mehr Probleme als sonst, und ich fummle fast eine ganze Minute lang daran herum. Schließlich löst es sich aus dem Rahmen und fällt mit einem ohrenbetäubenden Scheppern, das die Stille der Nacht zerreißt, zu Boden.
    »Ja, ja, ich bin also derjenige, der Krach macht«, murmelt Will.
    »Schshh!«
    Ich werfe ihm die Reisetasche zu, gefolgt von dem Kosmetikkoffer. Will sprintet zu seinem Auto und verstaut die Sachen auf der Rückbank, bevor er zu seinem Platz unter meinem Fenster zurückkehrt.
    »Fertig?«, flüstere ich. Mein Herz rast und mein Kopf schwirrt, als ich die Entfernung zwischen uns abschätze. Beruhige dich, Zoe, den Sprung hast du schon so oft hingelegt.
    »Spring, Baby«, sagt Will und streckt die Arme nach mir aus.
    Ich hole tief Luft. Rutsche bis zum Rand des Fensterrahmens. Will wartet dort, unter mir, mit demselben erwartungsvollen Blick in den Augen wie immer. Vielleicht leuchten sie diesmal eine Spur heller. Oder vielleicht bin ich es, die eine leuchtende Zukunft vorhersieht.
    »Komm schon, Zoe. Ich würde dich niemals fallen lassen.«
    »Ich weiß.«
    Ich schließe die Augen. In meinem Kopf dreht sich nicht mehr alles, doch mir ist flau im Magen. Ich schwanke. Dann stoße ich mich ab. Der Fall dauert nur eine Sekunde, fühlt sich aber wie eine Ewigkeit an. Will fängt mich auf, wie immer. Ich werfe ihm die Arme um den Hals, suche seinen Mund und küsse ihn.
    »Ich muss mein Windspiel holen.«
    »Ich hab dir doch gesagt, es ist zu groß, um es an den Rückspiegel zu hängen.«
    »Ich weiß. Aber ich lasse es ihm nicht da.«
    Will setzt mich ab, und ich stürze die drei Stufen zur Veranda hinauf. Das Windspiel hängt in der Ecke. Es gehörte meiner Mom, und jetzt ist es meins. Ich ziehe einen Stuhl heran, schiebe ihn gegen das Geländer und klettere hinauf. Auf Zehenspitzen, ganz am vordersten Rand des Stuhls, lege ich einen gefährlichen Balanceakt hin. Das Windspiel begrüßt mich mit einem leisen Klirren, als ich mich danach strecke und die schwebenden Delfine leicht den Eisenstab in der Mitte berühren.
    Mit der einen Hand löse ich das Windspiel vom Haken und umfasse mit der anderen sanft die Metallteile. Sie machen zu viel Lärm, aber zumindest habe ich es. Ich steige vom Stuhl und spähe durchs Wohnzimmerfenster. Mein Dad, der zuvor, wie fast jeden Abend, nach Whiskey und Fäulnis stinkend in seinem Lehnstuhl eingeschlafen war, ist nicht mehr an seinem Platz.
    Ich erstarre. Das Windspiel kracht zu Boden.
    »Verdammt«, flüstere ich.
    »Zoe?«, ruft Will durch den Garten. Er kommt herbei und nimmt die drei Verandastufen mit einem einzigen Satz. »Bei dir alles okay?«
    Mein Blut rauscht mit schmerzhafter Geschwindigkeit in meiner Brust. Ich knie mich nieder, hebe das Windspiel auf, entwirre mechanisch die dünnen Schnüre, an denen die Delfine und Eisenstäbe hängen.
    »Ja, alles okay. Es ist nur … Er ist nicht im Wohnzimmer.«
    Ein Knoten lässt sich von meinen zitternden Fingern nicht lösen. Komm schon . Bitte .
    Will marschiert an mir vorbei und wirft ebenfalls einen Blick durchs Fenster. »Wahrscheinlich im Bad.« Er legt die Hand an meinen Ellbogen und will mich hochziehen. »Lass uns von hier verschwinden.«
    Doch bevor ich aufstehen kann, geht die Verandalampe an und taucht uns in einen gelben Lichtschein. Wir erstarren zu Statuen – als würde die Lampe erlöschen, mein Dad wieder einschlafen, wenn wir nur still genug stehen.
    Die Tür öffnet sich. Er schlurft auf die Veranda, eine fast leere Flasche baumelt in der schlaff herabhängenden Hand an seiner Seite
    »Was machst du da, Zoe?«,
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