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Die Geschichte von Zoe und Will

Die Geschichte von Zoe und Will

Titel: Die Geschichte von Zoe und Will
Autoren: Kristin Halbrook
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inmitten einer Gruppe Schüler, die sich um ein paar Spinde gedrängt hat, und ich bin über meine eigenen Füße gestolpert.
    Vermutlich hatten sich alle anderen in der Stadt längst daran gewöhnt. Die dunklen Flecken, die ich mit Make-up zu überdecken versucht habe. Ich habe geglaubt, dass es mir diesmal richtig gut gelungen sein musste, weil niemand etwas gesagt hat, als ich mit neuen Blutergüssen aufgekreuzt bin. Aber dann ist dieser Kerl, den ich nie zuvor gesehen hatte, auf mich zugekommen und hat mit einem Mal alles erschüttert, woran ich bisher geglaubt habe.
    Es ist wohl wie bei einem alten Fleck an einer unauffälligen Stelle der Tapete. Wenn man etwas oft genug sieht, wird es unsichtbar.
    Aber jetzt ist es okay, weil Will es gesehen hat. Anschließend hat er mich besucht. Zu Hause – aber nur ein einziges Mal, da mein Dad ihm gesagt hat, er soll sich verpissen – beim Mittagessen, nach der Schule. Manchmal hat er sich mitten in der Nacht mit mir davongeschlichen, im Schutz des Mondes.
    Schon nach wenigen Wochen wurde Will zu meinem neuen Glaubensbekenntnis.
    Die heutige Nacht ist von einer dunklen Schwärze, wie es sie nur gibt, wenn der Mond nicht scheint. Die vereinzelten Häuser, an denen wir alle zehn Minuten vorbeikommen, sind kaum auszumachen. Aber ich kann die Sterne sehen, wenn ich mich vorbeuge und ganz oben aus der Windschutzscheibe spähe. Die Sterne scheinen sich nicht zu bewegen, obwohl wir den Highway entlangdüsen. In diesem Teil von North Dakota gibt es immer viele Sterne. Sie drängen sich voll Mitgefühl aneinander, als könnten sie es nicht ertragen, einen völlig verlassenen Ort zu sehen. Als würde das Alleinsein auch ihnen eine Heidenangst einjagen.
    »Will, denkst du, dass es auch in Las Vegas so viele Sterne gibt?«
    Er mustert mich eine Weile, bevor er antwortet, und ich spüre, wie ich vor Hitze erröte. Er lächelt mich an, sein ungezwungenes, cooles Lächeln, und blickt zurück auf die Straße.
    »Sicher. Die Sterne sind doch überall gleich, oder?«
    Das hört sich nicht richtig an, weshalb ich lache, und er lacht ebenfalls, aber ich widerspreche nicht, weil ich es nicht besser weiß. Es hat etwas mit der Hemisphäre zu tun, aber im Moment kümmert es mich nicht genug, und ich denke nicht weiter darüber nach.
    »Wenn nicht, besorg ich dir ein paar dieser Leuchtsterne, die man an die Decke klebt, okay?«
    Ich erröte wieder, weil ich mit einem Schlag an das Apartment denken muss, das wir uns teilen werden. Und an das Zimmer, das wir uns teilen werden, und das Bett, das wir uns teilen werden. Wir sind jetzt schon fast zwei Monate zusammen, aber er hat seine Hände immer brav bei sich behalten. Ich denke, das liegt daran, dass er mich respektiert. Das hoffe ich zumindest. Aber manchmal muss ich an seine Hände denken, die er dann nicht mehr bei sich behält, und bei dem Gedanken schießt mir die Hitze in die Wangen.
    »Hört sich gut an.«
    Ich nicke wieder ein, träume von grünlichen Leuchtsternen am Himmel. Will weckt mich, kurz bevor wir die Grenze nach South Dakota überqueren, und ich suche nach einem Willkommensschild. Für mich ist es das erste Mal, dass ich meinen Bundesstaat verlasse. Für Will nicht. Er ist in Nevada geboren und im Laufe seines Lebens über mehrere Stationen und Umzüge hierhergekommen. Er meint, es würde mir dort gefallen, auch wenn er weggezogen ist, als er vier war und sich wahrscheinlich überhaupt nicht mehr an Nevada erinnern kann. Er will, dass es mir gefällt, weil … nun ja, weil wir dort wohl lange Zeit zusammen sein werden.
    Ich glaube ihm – dass mir die Wüste gefallen wird, der Südwesten –, er lügt mich nie an.
    Eigentlich hatte ich beim Überqueren der Grenze nach South Dakota etwas mehr Aufregung erwartet. Und vielleicht gibt es dort tatsächlich mehr Lichter als anderswo, aber ansonsten liegt die Straße einfach nur ruhig und verlassen da. Ich verstehe nicht, warum Will andauernd in den Rückspiegel schaut, so nervös, als wären wir mitten im dichtesten Berufsverkehr einer Großstadt. Dann sehe ich das Schild, und mein Herz schlägt für einen kurzen Moment höher, bevor ich mich wieder in die Dunkelheit zurücklehne.
    »Das war’s«, flüstere ich zum Fenster.
    »Wir hätten Konfetti mitbringen sollen, damit du es aus dem Fenster werfen kannst. Oder einen Fotoapparat.«
    Es kommt mir fast vor, als würde er sich über mich lustig machen, aber ich schiebe diesen unangenehmen Gedanken beiseite. Er macht sich sicherlich
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