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Die geheimnisvollen Zimmer

Titel: Die geheimnisvollen Zimmer
Autoren: Sven Elvestad
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ernst und unberührt, unter absolutem Schweigen und mit halbgeschlossenen Augen blinzelnd beobachtet hatte, erhob sich, drückte Krag die Hand, murmelte »all right« und setzte sich wieder.
    Aber da kamen ein paar erschrockene Schaffner herbeigeeilt.
    »Wer hat die Notbremse gezogen?« fragten sie durcheinander.
    »Ich«, antwortete Krag und suchte sich an ihnen vorüberzudrängen.
    »Warum?« schrien sie.
    »Weil ich hier aussteigen will.«
    Die Fahrgäste lachten. Die Schaffner suchten Krag festzuhalten.
    »Das ist ein grobes Vergehen gegen die Verordnungen«, sagte der eine. »Eine hohe Geldstrafe steht darauf.«
    »Ist mir ganz gleichgültig«, sagte Krag, indem er seine Kristianer Adresse aufgab. »Ich muß hier aussteigen.«
    Die Mitreisenden lachten noch lauter. Aber nun wurden die Schaffner ernstlich böse. »Sie kommen nicht hinaus«, schrien sie. »Wenn der Zug in Kristiania hält, werden Sie festgenommen.«
    Anstatt zu antworten, ließ Krag rasch das Fenster herab, warf seine Sachen hinunter in den Schnee, erst den Pelz, dann die Handtasche und schließlich Stock und Schirm.
    Nun maß er seine Widersacher vom Scheitel bis zur Zehe, ballte die Fäuste und lachte unaufhaltsam. Man konnte förmlich sehen, wie sich seine starken Muskeln in den Ärmeln spannten.
    »All right!« murmelte der Engländer wieder beifällig und sog weiter an seiner Pfeife.
    Die Schaffner aber wichen unwillkürlich vor Krag zur Seite, dieser huschte rasch an ihnen vorüber, und mit einem Satz war er draußen bei seinen Sachen. Gleich darauf hatte er einen Zaun übersprungen und befand sich auf der Landstraße. Höhnisch rief er dem erstaunten Zugpersonal zu:
    »Machen Sie, daß Sie weiterkommen, ein Schnellzug hat Eile.«
    Und sie wußten wirklich nichts anderes zu tun, als den Zug wieder in Gang zu setzen. Als er abging, waren alle Fenster besetzt mit lachenden Gesichtern und winkenden Taschentüchern. Die Schaffner aber schworen ihm eine Rache, die ihm teuer zu stehen kommen solle.
    »So muß man es machen«, murmelte Krag vor sich hin, »wenn man nicht als der auftreten will, der man ist, als Detektiv.«
    Er ging nun nach dem nächsten größeren Bauernhof und mietete sich einen bequemen Schlitten und ein flinkes Pferd. Krag war bei strahlender Laune. Er stand ja nun am Beginn des letzten und ernstesten Teiles seiner Arbeit.
    Nach etwa vierstündiger Fahrt war er wieder auf Kvamberger Gebiet angelangt. In der Nähe von Frau Hjelms Villa ließ er den Schlitten halten, bezahlte ihn und legte dem Kutscher ans Herz, daß er so rasch wie irgend möglich zurückfahren, unterwegs nicht halten und mit niemandem reden solle. Das versprach er auch, sehr erfreut über das reichliche Trinkgeld, das er erhalten hatte, und machte sofort kehrt.
    Ehe Krag die Villa betrat, versicherte er sich darüber, ob Frau Hjelm auch allein sei. Als er eintrat und sie begrüßte, fiel es ihm auf, daß sie noch nervöser war als am Morgen, und er bemerkte, daß sie geweint hatte.
    »Ich muß mich bei Ihnen wegen meines Benehmens heute morgen entschuldigen«, sagte sie. »Aber Ihre Fragen und Mitteilungen kamen mir so ganz unvorbereitet. Es war unüberlegt von mir, Ihnen etwas verbergen zu wollen, und ich bereute es, sobald Sie gegangen waren. Daher erlaubte ich mir, Ihnen den Boten nachzuschicken.«
    »Ich dachte es mir«, sagte Krag. »Wollen Sie mir sagen, in welcher Angelegenheit Bengt Sie aufsuchte?«
    »Ich versichere Ihnen, daß er völlig unerwartet kam.« »Das sah ich.«
    »Er wollte mir nur einen Besuch machen, um mir den Tod seines Vaters mitzuteilen.«
    »So sprechen wir von etwas anderem. Wer war der Herr, der gestern abend um elf Uhr aus Ihrer Villa kam und dann Herrn Aakerholm in der kleinen Allee begegnete?«
    Frau Hjelm mußte eine lebhafte innere Erregung unterdrücken, ehe sie zu antworten vermochte.
    »Sie dürfen mir volles Vertrauen schenken«, versicherte Krag.
    »Davon bin ich überzeugt«, erwiderte sie, »und ich habe ja auch für meine Person nichts zu verheimlichen. Wie Sie vielleicht bereits erfahren haben«, fuhr sie fort, »war ich während meiner ersten Ehe und auch nach meines Mannes Tod viel im Ausland. Reisen war meine größte Freude, und ich lebte vielleicht vergnügter und freier in der Fremde, als mein Ruf hier zu Hause es ertrug. Ich habe in Ostende gespielt, und ich habe in Monte Carlo gespielt.«
    »Und verloren?«
    »Ich gewann häufig, verlor aber noch häufiger. Nun wissen Sie, wenn Sie Menschenkenner sind, wohl
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