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Die geheimnisvollen Zimmer

Titel: Die geheimnisvollen Zimmer
Autoren: Sven Elvestad
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zu haben.«
    Bengt bestieg den Schlitten, Krag grüßte die Zurückbleibenden nochmals, und das Gefährt glitt durch das Hoftor und den großen Weg hinunter, von zwei dampfenden Paradepferden gezogen.
    Während der Fahrt zur Stadt saß Bengt wortkarg und verschlossen neben Krag. Dieser dagegen war sehr gesprächig. Er ließ sich lang und breit darüber aus, wie gut es sei, daß die Polizei eingegriffen habe. Auf diese Weise vermeide man alles Gerede, das sich sonst sicher an den merkwürdigen Fall geknüpft hätte, denn es wäre doch nicht zu leugnen, daß der alte Herr unter sehr geheimnisvollen Umständen gestorben sei. Und wäre eine Sache erst dem Klatsch ausgeliefert, so würde allerlei hinzugedichtet. Daher sei es ein wahres Glück und so weiter.
    Bengt warf nur ab und zu ein vereinzeltes Wort ein. Aber da begann Krag von Bengt selbst zu sprechen. Er sei doch ein junger, vorwärtsstrebender Mann, und zudem reich. Würde er sich nun nicht nach einer Frau umsehen? Und er wies auf Frau Hjelm hin. Er habe heute früh seine Blicke beobachtet. Unleugbar hätte ihr Ausdruck die Gefühle eines Verliebten verraten. Es sei doch eine gute Partie, jetzt, wo der alte Herr tot sei ...
    Bengt wandte sich verächtlich von ihm ab und murmelte:
    »Gott, was für ein roher Kerl!«
    Krag aber amüsierte sich herzlich über die Komödie. Noch einmal war es ihm gelungen, den jungen Menschen zu täuschen.
    Der Schlitten hielt an der Bahn der kleinen Nachbarstadt.
    »Sollten Sie einmal nach Kristiania kommen«, sagte Krag, »so wird es mir ein außer ordentliches Vergnügen sein, Sie bei mir begrüßen zu dürfen. Ich werde mich dann bemühen, Ihnen die interessanten Tage, die ich in Ihrem Hause zubringen durfte, zu vergelten.«
    »Die interessanten Tage?!« rief Bengt aus und sah Krag erstaunt an. »Für mich waren die letzten Tage nichts weniger als interessant, aber um so schauriger waren sie.«
    »Nun, nun«, sagte Krag und versuchte Bengt auf die Schulter zu klopfen – eine freundschaftliche Annäherung, die jener demonstrativ zurückwies – »wenn ich interessant sage, so meine ich damit natürlich nur, daß es für mich, vom ärztlichen Standpunkt aus ein interessanter Fall war, die Krankheit und Todesart des alten Herrn studieren zu können.«
    Bengt wandte sich unwillig von ihm ab.
    »Und nun«, scherzte Krag, »muß ich mein kostbares Leben der Gewalt des Schnellzuges überlassen. Er geht in einer Minute ab.«
    Bengt sah aus, als wünschte er von ganzem Herzen eine Zugentgleisung mit tödlichem Ausgang für Krag. Aber er sagte:
    »Ich werde dem Stationsvorsteher die Sicherung Ihres Zuges ganz besonders ans Herz legen.«
    Krag begriff sofort, daß Bengt damit andeuten wolle, er werde es verhindern, daß eine eventuelle Absicht von Seiten Krags, den Zug auf einer Zwischenstation halten zu lassen, zur Ausführung käme. Aber er tat, als fasse er Bengts Bemerkung als einen gelungenen Scherz auf und lachte laut, drückte ihm dann warm die Hand und bat ihn, den Doktor und alle anderen auf dem Gutshof nochmals zu grüßen.
    Als der Zug sich in Bewegung setzte, trat Krag an das Fenster seines Abteils und nickte und winkte Bengt eifrig zu, der ihm aber rasch den Rücken wandte.
    Asbjörn Krag stand während der ganzen Zeit am Fenster und betrachtete die an seinen Augen vorübergleitende Landschaft. Der heitere Ausdruck war nun aus seinem Gesicht verschwunden. Ernst heftete er den Blick auf das Kvamberger Gutshaus, dessen weiße Fassade am Horizont aufleuchtete. Plötzlich tanzte die kleine Station Kvamberg an ihm vorüber. Zehn Minuten später passierte der Zug eine andere Station. Bis zur nächsten war noch eine Viertelstunde.
    Krag sah auf die Uhr. Er überlegte keinen Augenblick, was er zu tun habe. Als weitere fünf Minuten vergangen waren und der Zug durch eine Ebene sauste, streckte er plötzlich die Hand aus und zog mit einem heftigen Ruck an der Notbremse. Sofort begann der Zug die Fahrt zu verlangsamen.
    Groß war in Krags Abteil die Bestürzung über seine Handlungsweise. Die Fahrgäste aus den anderen Abteilen kamen herübergestürzt, jeder wollte wissen, was geschehen sei. Hatte sich ein Unglücksfall ereignet? War jemand erkrankt?
    Krag antwortete ruhig, daß gar nichts geschehen sei. Er wolle nur aussteigen. Nun hielt der Zug, und Krag begann unter der beifälligen Heiterkeit der Mitreisenden seine Sachen zusammenzufassen, die Handtasche, den Pelz, Stock und Schirm. Ein englischer Tourist, der den Hergang scheinbar
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