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Die geheimnisvollen Zimmer

Titel: Die geheimnisvollen Zimmer
Autoren: Sven Elvestad
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nach seinem Diener und gab ihm die folgenden Anweisungen:
    »Handtasche Nummer zwei. Zum Zuge zehn Uhr fünfundvierzig, Ostbahnhof.«
    Als der Diener gehen wollte, hielt Krag ihn zurück. Ein Gedanke fuhr ihm durch den Sinn. Zu dem Arzt gewandt, fragte er:
    »Gefährlich?«
    Der Arzt schien unsicher und antwortete nicht.
    »Gut«, sagte Krag. »Packen Sie den kleinen schwarzen Kasten mit ein, Jens.«
    Der Diener verließ das Zimmer.
    Darauf setzte sich Krag in einen Sessel dicht an den Kamin.
    »Nun bin ich ganz Ohr«, sagte er.
    Der Arzt begann:
    »Du kennst doch das Gut Kvamberg? Du nickst. Nun ja, wer kennt es nicht, es ist ja einer der größten und bekanntesten Herrensitze des Landes. Während der letzten fünfzehn Jahre hat es dreimal den Besitzer gewechselt. Vor etwa fünf Jahren kam ein reicher Schwedisch-Amerikaner aus Kanada in unsere Gegend. Der Besitzer von Kvamberg war gerade gestorben – durch einen Unglücksfall, er war aus einem Turmfenster gestürzt. Seine Verwandten verkauften das Gut an jenen Schwedisch-Amerikaner namens Aakerholm. Dieser nahm kleine Umhauten auf dem Gutshof vor und richtete das Zimmer nach seinem etwas merkwürdigen Geschmack ein.
    Anfangs lebte er auf großem Fuße, gab viele Festlichkeiten und hatte zahlreiche Freunde. Der originelle alte Herr, der norwegisch, schwedisch und englisch so drollig radebrechte und in so vielen Dingen lebhaft an einen pensionierten alten General erinnerte, war sehr beliebt, und man versammelte sich gern in seinem gastfreien Hause.
    Aber allmählich bekam er die ganze Gesellschaft satt und zog sich immer mehr von ihr zurück. Seit zwei Jahren gab er nun kein einziges Fest mehr auf Kvamberg. Nur ein paar gute Freunde erhielt er sich, schloß sich desto enger an sie an, pflegte abends mit ihnen Karten zu spielen, im Klub der nahen Stadt mit ihnen zu trinken und ihnen amüsante Geschichten zu erzählen. Geschichten erzählen, das kann er nämlich, der Alte – er hat ja aber auch in den Prärien und den Goldgrubengebieten ein wildes Leben geführt, ein Leben, das seinesgleichen sucht an Abenteuerlichkeit und Unwahrscheinlichkeit.
    Als sein Arzt ging ich häufig bei ihm ein und aus. Er fürchtet nichts in der Welt und hat dem Tode hundertmal ins Auge geschaut. Doch ist er zuweilen, wie so viele mutige Männer, ein wenig hypochondrisch, und so wurde ich oft und zu allen Tages- und Nachtzeiten zu ihm gerufen. Häufig kam es vor, daß ich über Nacht auf dem Gutshof blieb und dann in einem Zimmer schlief, das so weit wie möglich von dem Schlafzimmer des alten Herrn selbst entfernt lag.
    Anfangs achtete ich gar nicht darauf, dann aber erfuhr ich durch die Dienstboten, daß Aakerholm stets allein schlafe und den strengen Befehl erteilt habe, daß niemals jemand die Zimmer neben seinem Schlafzimmer betreten dürfe. Das fand ich natürlich sehr merkwürdig. Erst war ich geneigt, es für eine seiner Absonderlichkeiten zu halten.«
    »Um sein Schlafzimmer zu erreichen, muß man durch zwei andere Zimmer und durch drei Türen gehen. Am Tage darf man sich in diesen beiden Zimmern aufhalten. Sobald aber die Uhr zwölf schlägt und Aakerholm sich zu Bett gelegt hat, darf niemand sie betreten. Er verschließt sie sorgsam, und nur er besitzt die Schlüssel dazu.«
    Asbjörn Krag unterbrach ihn:
    »Du sagtest ›die Zimmer‹, es sind also mehrere Zimmer, die nicht betreten werden dürfen?« fragte er.
    »In welchem Stock liegen die Zimmer?«
    »Im ersten Stock. Um zu verhindern, daß jemand durch die Fenster zu ihm eindringt, hat er ein Stacheldrahtnetz anbringen lassen, das diese Möglichkeit völlig ausschließt.«
    »Und es gibt keinen anderen Zugang zu seinem Schlafzimmer, als durch diese beiden Zimmer und drei Türen?«
    »Nein, mit seinem Schlafzimmer schließt der Seitenflügel ab.«
    »Vielleicht verbirgt er seine Kostbarkeiten in diesem Zimmer. Ist er sehr reich?«
    »Ja, er ist sehr reich. Doch hat er sein ganzes Geld in den norwegisch und schwedischen Banken liegen.«
    Krag saß am Kamin und rauchte seine Zigarre. Er sah nachdenklich aus.
    »Nun aber beginnt eigentlich erst das Merkwürdige an der Geschichte«, fuhr der Arzt fort.
    »Und dieses Merkwürdige beginnt sicher mit Aakerholms Heiratsplänen«, warf Asbjörn Krag ein.
    »Ganz recht. Ich möchte vorläufig nichts über die Dame sagen. Du wirst sie ja selbst sehen, wenn du hinkommst. Sie ist aus einer Familie mittleren Standes, nicht mehr ganz jung, doch eine immer noch sehr schöne Witwe. Man nennt
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