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Historical Weihnachtsband 1992

Historical Weihnachtsband 1992

Titel: Historical Weihnachtsband 1992
Autoren: ERIN YORKE , BRONWYN WILLIAMS , Maura Seger
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1. KAPITEL
    Das schwache Licht der Dezembersonne kämpfte gegen die früh einbrechende Dämmerung. Die grauen Schatten im Hochland wurden länger und verschmolzen mit der Farbe roh behauener Steinmauern. Die einfachen Häuser von Glenmuir standen dichtgedrängt an den schlechten Straßen des Dorfes. Durch den gefrorenen Schlammboden zogen sich tiefe Räderspuren. Ein unachtsamer Fremder hätte an der trostlosen Gegend kaum etwas Erfreuliches sehen können. Für den, der es mit aufmerksamen Augen betrachtete, war Glenmuir dagegen keineswegs so öde.
    Aus den Schornsteinen stieg der Rauch von Torifeuern auf, und durch die Sprossenfenster fiel hie und da der Schein einer Kerze auf die Hauptstraße. Würzige Gerüche hingen in der Luft, denn der Bäcker arbeitete länger als gewöhnlich, um die Wünsche des Landadels nach süßen Leckerbissen zu erfüllen. Die Dorfbewohner freilich konnten sich derlei Köstlichkeiten, bei deren Anblick einem das Wasser im Mund zusammenlief, längst nicht mehr leisten. Dennoch hatte die Vorfreude auf das Weihnachtsfest offensichtlich auch die Leute ergriffen, die vor dem Laden von MacGregor & Son beisammenstanden. Ihre Einkaufskörbe waren fast so leer wie ihre Geldbörsen, aber ihre Mienen strahlten erwartungsvoller, als man es bei der Landbevölkerung dieser ärmlichen Gegend Schottlands vorrausgesetzt hätte. Es war, als empfänden sie ihr Elend gar nicht mehr. Eingedenk herzlicher Erinnerungen schienen sie den Ort mit Besitzerstolz und wie durch einen Schleier der Hoffnung zu betrachten.
    Diese Gefühle teilte bestimmt auch die junge Frau, die soeben aus dem Hause der Dorfschneiderin in die feuchte Kälte heraustrat. Die 24-jährige Blair Duncan war ein hübsches Mädchen, dessen gutes Aussehen die Männer veranlaßte, rasch ein zweites Mal hinzusehen. Rotbraunes Haar umrahmte ein schönes, feingeschnittenes Gesicht mit klaren blauen Augen, das dennoch einen festen Willen, vielleicht sogar Starrsinn verriet. Miss Blair war mittelgroß und trug über dem braunen Kleid ein altes, abgenutztes Schultertuch, das ihre weiblichen Formen jedoch nicht verbarg.
    Die Blicke der Dörfler richteten sich trotz des schäbigen Äußeren mit einem Ausdruck von Achtung auf sie, als sie am Ende der Straße erschien und über das Kopfsteinpflaster dem Laden von MacGregor & Son zustrebte.
    „O, da kommt Miss Duncan! Ist sie nicht ein nettes Mädchen?" flüsterte Mrs.
    MacNab, eine mütterliche Matrone, die durch die Erziehung ihrer neun Söhne frühzeitig ergraut war.
    „Ja, und Mut hat sie auch", antwortete Ian Ferguson, und ein Lächeln erhellte sein sonst meist mürrisches Gesicht. „Das hat sie von ihrem Vater. Er hat seinen Stolz nicht wie andere schottische Adelige begraben und ist den finanziellen Verlockungen reicher Engländer erlegen. Jaime Duncan war ein hitziger und stolzer Schotte, dem es wie Verrat, wie Kapitulation vor dem Feind, erschienen wäre, seinen Besitz mit englischem Geld zu retten."
    „Zu schade, daß wir erst nach seinem Tod begriffen haben, was ihn dieser Heldenmut gekostet hat", warf Fergusons Vetter Charlie ein. „Die arme Miss Duncan! Ihr Vater hat ihr kaum mehr hinterlassen als die Ländereien der Duncans und das beinahe leerstehende Herrenhaus."
    „Wir hätten doch nichts tun können", wandte Ferguson kopfschüttelnd ein.
    Unversehens fiel es ihm schwer, die frühere Freude zu wahren. „Wir selbst haben ja nicht genug zu beißen. Gottlob hat Miss Duncan den Mut, ihren Besitz nicht irgendeinem englischen Adeligen zu verkaufen. Es gibt schon viel zuviele davon in der Gegend."
    „Ja. In den vergangenen Jahren hat Glenmuir die Hälfte der Bewohner verloren", bestätigte Charlie Ferguson. „Das muß man sich vorstellen! Ganze Familien haben die englischen Aristokraten auf die Straße gesetzt, nur, damit sie große Jagdgebiete bekommen. Zu dumm, daß die Königin eine solche Vorliebe für die Highlands hat!
    Sonst wären die verdammten Eindringlinge geblieben, wo sie hingehören."
    „Recht hast du! Dann müßten auch nicht so viele Schotten die Heimat verlassen, um überleben zu können."
    „Wir sind geblieben, nicht wahr? Wir werden es auch weiterhin schaffen, genau wie Miss Duncan", sagte Mrs. MacNab, trat zu den Männern und senkte die Stimme, da Blair Duncan näherkam. „Es ist hart für sie, von der Hand in den Mund leben zu müssen, nachdem sie als Kind alles hatte! Aber sie ist stark. Natürlich hat sie jedes Angebot ausgeschlagen, ihren Landbesitz zu
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