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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus
Autoren: Julia Kröhn
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ich besser als im Heilen.«
    »Das will keiner wissen!«, schimpfte Caterina erneut.
    Warum ist sie stets so streng mit ihm?, dachte Aläis verwirrt.
    »Zumindest habe ich einmal eine verletzte Schulter wieder eingerenkt und einem Mann somit das Leben gerettet – mag mir zu diesem Zwecke auch ein Studium gefehlt haben«, erklärte Ray stolz. »Es dauert lange, nicht wahr? Erst gilt es drei Jahre, sich in den sieben freien Künsten auszubilden, und erst danach beginnt das eigentliche Medizinstudium. Wieder drei Jahre lang, oder? Und am Ende muss man eine große Prüfung ablegen.«
    Caterina verdrehte die Augen. »Nun gib nicht so an! Als ob du davon Ahnung hättest!«
    Aurel hingegen betrachtete ihn erstmals aufmerksamer.
    »Lasst ihn nur weiterreden, ma Dame«, meinte er, um dann an Ray gewandt hinzuzufügen: »Eure Stimme, als Ihr von der Chirurgie spracht, klang zumindest nicht verächtlich.«
    »Warum sollte es so sein?«
    Aureis Mundwinkel zuckten missmutig: »Die Frage ehrt Euch. Doch es gibt genügend Mediziner, die sich ihrerseits
Physicus
nennen und unsere Arbeit gering schätzen – denken sie doch, wir wären nichts Besseres als Steinmetze oder Tischler, mit dem Unterschied, dass wir eben in Fleisch, Blut und Gedärmen wühlen.Auf eine Stufe mit dem Bader und dem Steinschneider stellen sie uns, behaupten gar, dass nur sie die inneren Leiden heilen, wir hingegen lediglich die äußeren. Dass die Chirurgie zwingend zum Lernstoff eines guten Medicus gehören sollte, leugnen sie beharrlich. Pah!«
    Redend hatte er die Gabel wieder hochgehoben und damit herumgefuchtelt. Nun legte er sie erneut mit einem Klirren ab. Alaïs beugte sich vor und sah, dass seine Schüssel immer noch randvoll war. Trotzdem schob er sie von sich, als hätte er sein Mahl bereits beendet – und seine hagere Gestalt bekundete, dass er sich nicht zum ersten Mal derart genügsam gebarte.
    »Ein guter
Cyrurgicus
ist so viel mehr wert als ein guter
Physicus.
Wir müssen in vielen Dingen bewandert sein: in der Anatomie, die wir vor allem von Avicenna lernen, in der Wundbehandlung, für die Theodoric der große Lehrer ist, in der Heilung von Geschwüren, wie sie uns Lanfranco lehrt …«
    Alaïs runzelte die Stirn ob jener neuerlichen ermüdenden Fülle an Namen. Doch Ray nickte interessiert, als hätte er es tatsächlich verstanden.
    »Einer meiner Vorbilder ist Roger Frugardi. Eigentlich war er nichts weiter als ein gewöhnlicher Wundarzt, doch er hat es bis zum Professor gebracht an der Hochschule von Parma. Wie man Bauchwunden flickt, das weiß ich von ihm, ebenso wie man einen Kropf behandelt.« Er griff sich hastig an den Hals, als wollte er es am eigenen Leib vorführen. »Und wie man Blut stillt, das hat er uns auch ausführlich erläutert! Freilich: Manches aus seinem Werk stammt nicht aus seiner Feder, sondern wurde von Roland von Parma, seinem kundigen Schüler, ergänzt.«
    Wieder nickte Ray, wenngleich Alaïs sein Blick nun etwas dümmlich deuchte. Wahrscheinlich begriff er ebenso wenig, wovon Aurel derart aufgeregt sprach, wie sie.
    Dennoch fasste sie nun endlich den Mut, selbst den Mund aufzutun.
    »Du hättest ihn sehen sollen, Vater«, ihre Stimme geriet piepsig, »wie er Louises Leib aufgeschnitten hat!«
    »Verbluten hätte sie dabei können!«, warf Caterina kopfschüttelnd ein.
    »Noch lebt sie«, meinte Aurel. »Und es leben viele noch, die von mir behandelt wurden.«
    Jetzt fiel ihm endlich ein, zu welchem Zweck er an der Tafel saß. Er zog die Schüssel wieder zu sich heran und nahm einen Bissen von dem Eintopf, doch kaum hatte er ihn geschluckt, schob er die Schüssel wieder zur Seite. Als wäre das ein geheimes Zeichen zwischen ihnen, griff Emeric, der mittlerweile die eigene leergegessen hatte, nach seiner, ohne darum zu bitten. Wahrscheinlich aß er nicht zum ersten Mal die Ration seines Bruders, wenngleich er ebenso dürr war wie dieser.
    »Dann hast du in Montpellier deinen Doktor gemacht?«, warf Ray begütigend ein.
    Kurz senkte Aurel seinen Blick. Als er wieder hochsah, strahlten seine braunen Augen erstmals etwas Warmes aus.
    »Ich will der Größte meiner Zunft werden«, erklärte er mit heiserer Stimme. »Ich werde den üblen Ruf, der auf uns lastet, widerlegen. Ich werde allen zeigen, wozu wir imstande sind.«
    »Ach herrje«, seufzte Ray. »Wie lange ist’s her, dass ich davon geträumt habe, irgendwo der Größte und Beste zu sein.«
    »Kann mir schon denken«, meinte Caterina, »in welcher Disziplin
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