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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus
Autoren: Julia Kröhn
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schwenkte es vor Caterinas und Alaïs’ Gesichtern.
    »Was tust du denn?«, rief Alaïs kreischend.
    Ray grinste, Caterina schüttelte den Kopf. Doch als sie sich abwandte und zurück in Richtung ihrer Kate stapfte, sah Alaïs, wie auch die Mundwinkel der Mutter amüsiert zuckten.

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III. Kapitel
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    Zwar hatte Caterina erst dazu überredet werden müssen, die Fremden einzuladen, doch dass sie eine schlechte Gastgeberin sei, wollte sie sich nicht nachsagen lassen. Das Abendmahl fiel üppiger aus als sonst. Neben gebratenem Fisch gab es Eintopf aus Saubohnen, Lauch, Mangold und Zwiebeln, der mit etwas Speck und frischen Kräutern verfeinert war. Obendrein wurden Eier, Käse und Weizenbrot aufgetischt, anschließend getrocknete Feigen und Granatäpfel, die im letzten Sommer geerntet worden waren, und eine Handvoll Nüsse.
    Sie saßen am großen Tisch, der aus dem schweren Holz des Kastanienbaums gezimmert war. Rechts und links, am Boden festgenagelt, waren zwei Bänke, gleich daneben befand sich ein Schrank, der in die Mauer eingefügt worden war. Die großen Tonkrüge für das Olivenöl standen dort, desgleichen eine Schale Wasser, worin sich alle vor dem Essen die Hände zu waschen hatten. Später würde sie neu aufgefüllt werden, um darin die kostbaren Gläser zu reinigen.
    Caterina Montpoix legte großen Wert auf Tischsitten. Mochten sie auch ärmlich hausen und nicht jenes weiße Mobiliar besitzen, wie es in reicheren Haushalten üblich war, Geschirr stand ihnen reichlich zur Verfügung. Während alle anderen Bewohner von Saint – Marthe aus einem schlichten Napf aus Zinn aßen, wurden an der Tafel der Montpoix' sämtliche Gerichte auf Kupferplatten angerichtet. Für das Brot gab es einen eigenen Korb und für den Wein einen tönernen Krug, auf dessen Oberfläche Ornamente eingeritzt waren. Ein großes Messer lag zum Schneidender Speise bereit, ebenso die überaus seltene
Forcata ferri,
eine Gabel. Dass der Tisch mit einem Tuch bedeckt war und jeder eine Serviette gereicht bekam – auch das eine Seltenheit –, hatte Aurel nicht interessiert. Die Gabel betrachtete er jedoch eingehend.
    »Dergleichen könnte man gut zum Operieren verwenden«, sinnierte er anstatt zu essen.
    Sein Bruder Emeric – bis auf jene knappe Erklärung im Schuppen hatte Alaïs ihn kein weiteres Wort mehr sagen hören – schlang hingegen große Bissen gierig in sich hinein.
    Alaïs hätte es ihm gerne gleichgetan. Die erste Mahlzeit des Tages, am Vormittag eingenommen, war lange her. Doch trotz des Appetits fiel es ihr schwer, die Bissen zu schlucken, so eng war ihr die Kehle.
    Spannung lag in der Luft, und als Aurel die Gabel nicht wieder hinlegen wollte, traf ihn Caterinas strenger Blick. War sie erbost, weil sein Verhalten den Tischsitten im Hause Montpoix widersprach oder weil sie Aurel sein dreistes Auftreten in Louises Wochenstube nicht verzeihen konnte?
    In jedem Fall war sie nicht bereit, mit ihm zu reden, fragte nicht einmal, wie es Louise und ihrem Kind ergangen war, obwohl Aurel kurz vor dem Abendessen noch einmal nach ihnen gesehen hatte.
    Weitaus weniger schwer als Caterina fiel es Alaïs’ Vater, den fremden Wanderchirurgen anzusprechen.
    »Aus Montpellier bist du?«, fragte er forsch. »Ein guter Ort, um Medizin zu studieren, nicht wahr? Ach, was gäbe ich drum, wenn ich in meiner Jugend diesen Weg hätte beschreiten und Medicus werden können. Ich habe …«
    »Das will keiner wissen!«, fuhr Caterina schroff dazwischen. Erstmals blickte Emeric von seinem Eintopf hoch. Obwohl die strengen Worte nicht ihm oder seinem Bruder galten, gab er Aurel ein Zeichen, endlich die Gabel sinken zu lassen und zu essen. Doch der bemerkte ihn nicht.
    »Warum nicht?«, rief Ray leichtfertig. »Einst bin ich auchdurchs Land gezogen, um Arzneien anzubieten und Krankheiten zu heilen. Natürlich habe ich es in dieser Kunst nicht so weit gebracht wie …«
    Caterina hatte wieder den Mund geöffnet, doch es war nicht sie, die dem Vater diesmal ins Wort fiel.
    Mit einem leisen Klirren legte Aurel die Gabel nieder. »Ich weiß. Es gibt viele Quacksalber, die unseren Ruf ruinieren und nicht einmal ordentlich Zähne ziehen können. Ich kenne einen
Sanguinator,
der mit einer Feinfühligkeit zur Ader lässt, als schlachtete er ein Schwein. Viel zu viele preisen sich dreist als Medicus, ohne einer zu sein.«
    Ray ließ sich die offensichtliche Beleidigung nicht anmerken, sondern lachte auf. »Gewiss!«, gab er leichtfertig zu. »Im Betrügen war
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