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Die Gamnma Option

Titel: Die Gamnma Option
Autoren: Jon Land
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seinem Gesicht. »Ja, du hast etwas mit dem Jungen und seinem Leben zu schaffen, mon ami. Du hast ihm nur gesagt, du wärest sein Freund, hast nichts von der vermeintlichen Wahrheit erwähnt, und darauf begründet sich deine Beziehung zu ihm.«
    »Komm zur Sache.«
    »Er ist der Sohn meiner Nichte Lauren, und sie ist tot. Er ist Vollwaise. Das alles entspricht der Wahrheit. Was hat sich also geändert? In deinen Augen viel, ja, aber nichts in denen des Jungen. Es kommt nur auf die Perspektive an. Ich habe mich persönlich mit dir getroffen, um mich zu vergewissern, daß du zumindest das einsiehst.«
    Blaine wollte weiterhin wütend sein, doch es gelang ihm nicht. »Du bist trotzdem eine Ratte, Henri.«
    »Aber es waren deine Bedürfnisse, die dich dazu gebracht haben, zum Käse zu laufen, mon ami.«
    »Du hast es gewußt«, sagte Blaine zu Johnny, als er wieder im Wagen saß.
    »Die Geister gaben mir Hinweise, die ich nicht ignorieren konnte, Blainey.«
    »Weißt du, was am schlimmsten daran ist, Indianer? Ich habe es auch gewußt. Als ich den Jungen zum ersten Mal sah, wußte ich, daß er nicht mein Sohn ist. Aber ich wollte, daß er mein Sohn ist. Ergibt das Sinn?«
    »Genausoviel wie alles andere. Sogar mehr als das.«
    »Ich wollte, daß er mein Sohn ist, weil das ein bequemer Ausweg gewesen wäre. Eine Entschuldigung, ein Grund, mich zu ändern. Oder zuzulassen, daß man mich ändert.«
    »Aber all das, was du getan hast, um den Jungen zu retten, brachte dich zu der Erkenntnis, daß du dich nicht ändern willst, daß du nur innerhalb des Höllenfeuers glücklich bist, das gleichzeitig ein Ort und ein Zustand ist.«
    »Nicht glücklich, aber zumindest erfolgreich. Ich habe versucht, mich abzuwenden, einfach davonzugehen, mich zurückzuziehen – ich habe es versucht. Mein Gott, wie gern würde ich allein in den Wäldern leben können, genau wie du.«
    »Und hat mir das geholfen, mich vom Höllenfeuer zurückzuziehen, Blainey?«
    »Nein, weil ich dich immer wieder zurückschleppe.«
    »Du kommst zu mir, weil du es mußt. Ich gehe mit dir, weil ich es muß. Wo ist da der Unterschied? Wir beide tun, was wir tun müssen. Wir tun es lediglich aus anderen Gründen, aber letztendlich sind diese Gründe bedeutungslos. Es kommt nur auf die Bestimmung an, und wir haben dieselbe.«
    Blaine musterte ihn nachdenklich. »Wir haben zwanzig Jahre lang denselben Kampf geführt, Indianer. Was für eine Bestimmung ist das? Die Namen und Orte ändern sich, doch ich will verdammt sein, wenn sie einem nach einer Weile nicht auch austauschbar erscheinen.«
    »Weil es auf die Reise ankommt. Sich bewegen heißt leben. Bewegung ist Leben. Das eine kann nicht ohne das andere existieren.«
    »Ich wollte, daß dieser Junge mein Sohn ist, Indianer.«
    »Ein Weggefährte, Blainey, egal, wie man ihn nennt.«
    »Ja, ich habe verstanden.«
    Blaine traf im Zwielicht zwischen Nachmittag und Abend in der Reading School ein. Der Lehrer, der John Nevilles Nachfolger als Hausdirektor war, führte ihn zu einem kleinen Sportplatz hinter der Schule, wo sich einige Internatszöglinge noch zu einem Fußballspiel vor dem Abendessen zusammengefunden hatten. Blaine schritt zielstrebig und anscheinend selbstsicher aus, doch sein hämmerndes Herz verriet die Furcht tief in ihm.
    Die Furcht, es sich einzugestehen.
    Die Furcht vor der Wahrheit.
    Der Junge war wegen ihm in diese Sache hineingezogen worden. So oder so oblag es daher ihm … irgend etwas zu tun. Doch es gab so viel zu sagen. Wo sollte er anfangen?
    »Davon haben Sie mir aber nichts erzählt.«
    »Ich muß dir ja etwas für später aufbewahren.«
    »Und was haben Sie im Projekt Phoenix getan?«
    »Das erzähle ich dir auch später.«
    Sich an ihre erste Begegnung erinnernd, überlegte er sich auf dem Weg zum Sportplatz ein Dutzend Ansprachen und verwarf alle wieder. Keine davon konnte auch nur annähernd ausdrücken, was er fühlte, was er wirklich sagen wollte. Seine Gedanken kreisten wie verrückt, während er auf die Jungen zuging, die in ihren Trainingsanzügen auf den dreckigen Ball eintraten. Die ersten Schatten der Dämmerung senkten sich, und er konnte Matthew nicht ausmachen und fragte sich, ob der Lehrer sich vielleicht geirrt hatte.
    Der Junge drehte sich um und schien mit derselben Bewegung zu ihm zu stürmen. Blaine sah das Lächeln auf seinem Gesicht, dachte, daß dieser Anblick vielleicht der schönste war, den er je gesehen hatte, und wußte, daß er sich keine Worte zurechtlegen
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