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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin
Autoren: Oliver Hassencamp
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sind reiner Durchschnitt, aber unbeschwert und gesund, dachte Franziska, doch sie sagte nichts.
    Robert war auf der Heimfahrt dem dreispurigen Stau des Altstadtrings entwischt und über Einbahnstraßen zu der renommierten Bäckerei gefahren, wo es das Schwäbische Bauernbrot gab, das die ganze Familie schätzte, besonders zu Käse. Wie aus der Versenkung katapultiert stand Karl vor ihm.
    »Du hast mich nicht gesehen. Ist das klar?«
    Er faßte das Mädchen neben sich am Arm und zog es fort, um die nächste Ecke. Ein Paar ohne Dialog. Daß man einem Freund begegnet, der nicht gesehen werden will, kann Vorkommen. Mit Karl war es nicht die erste Begegnung dieser Art.
    »Ich denke, du bist in Genf?« hatte Robert gerade sagenwollen. Deswegen also das abgesagte Tennismatch. Die beiden konnten nur aus dem Haus der Bäckerei gekommen sein.
    Nicht gesehen werden wollen und mitten durch die Stadt laufen, als nicht ganz unbekannter Prominentenanwalt — das konnte sich nur Karl leisten, und wenn Robert sich bisweilen wie der ältere, weniger erfolgreiche Bruder vorkam, war das kein Wunder. Was Karl anpackte, führte zum Erfolg, unbesehen der moralischen Qualität.
    Robert kaufte einen Laib von dem Brot und fuhr nach Hause.
    Wie immer begrüßten ihn zuerst die Kinder, machten ihn lautstark zur Hauptperson. Dann kam Franziska an die Reihe. Bei einem Obstler berichteten sie einander über ihren Tag.
    »Ich war bei Karin heute nachmittag. Karl ist gut gelandet. Er läßt schön grüßen.«
    »Ich habe ihn gerade getroffen.«
    »Aber er ist doch in Genf?«
    »Natürlich ist er in Genf. Ich hab ihn auch gar nicht gesehen. Er war in Begleitung.«
    Franziska sah betroffen drein.
    »Das ist eine Gemeinheit.«
    »Ich könnte mir vorstellen, sie weiß es längst und will es nur nicht wahrhaben.«
    Franziska überlegte: »Es ist ja nicht das erste Mal.«
    »Ist es dann nicht gleichgültig, ob er ihr etwas Vormacht oder sie sich selbst?«
    Franziska stellte ihr Glas weg.
    »Wie angenehm, daß wir andere Sorgen haben.«

    Eine merkwürdige Atmosphäre herrscht in dem Café. Nicht Club, nicht Kantine, nicht Stammlokal und doch von allem etwas. Die Gäste, die einander größtenteils kennen, bleiben nach Firmen beziehungsweise nach Interessen getrennt. Die in der Ofenecke sind die Sportler, wie Tiedemann sagt. Montags soll es da wild zugehen, wenn sie alle Tore des Wochenendes noch einmal nachschießen. Der lange Tisch am Fenster — das sind die Berufsstammtischler, denen die Politik schon auf den nüchternen Magen schlägt; daneben, nicht zu übersehen, die Skatspieler, und am Nebentisch sitzt wieder die hübsche Erscheinung mit dem glatten dunklen Haar. Fremdländisch sieht sie aus; ein Herr an Roberts Tisch redet auf sie ein. Bei einem Wochenendausflug nach Paris hat er ein Paar Schuhe stehenlassen. Er reicht ihr einen Brief an das Hotel hinüber, damit sie ihn auf Fehler durchsieht. Sie überfliegt die Zeilen, holt einen Kugelschreiber aus ihrer Handtasche und beginnt zu korrigieren:
    »Ich schreib’s Ihnen gleich hier drauf. Dann können Sie’s nochmal abtippen.«
    Und schon schreibt sie, französisch, so schnell, wie Robert auf deutsch nicht einmal stenographieren könnte. Wenn er stenographieren könnte. Knochige Hände hat sie, am linken Ringfinger stecken zwei Bandringe, unter denen ein schmaler Goldreif vorschaut, wie ein gut versteckter Ehering. Zu ihrem Kopf fällt ihm die Bezeichnung rassig ein. Vielversprechend, wie Männer in solchen Fällen zu sagen pflegen, denkt Robert.
    »Wie kommen Sie ausgerechnet ins Hotel Adria?« fragt sie den Herrn von der Bank. »Wenn Sie wieder einmal nach Paris fahren, sagen Sie’s mir. Ich weiß ein gemütliches Hotel in sehr guter Lage.«
    Sie wirkt deplaziert in dieser Umgebung.
    Das Lokal ist teilrenoviert: Stuckdecke und Plastikstühle, Plüschnischen mit beschichteten Tischen. Wer läßt sich hier freiwillig zum Frühstück nieder? Tiedemann kennt die Motive der Frühparker: Familienflucht, Sorge um das Auto, für das man einen sicheren Platz will; weil man Junggeselle ist oder zu faul, sich Frühstück zu machen; weil man nicht allein sein kann, reden muß oder den Tag nicht mit Hast beginnen möchte.
    Hast — das ist sein Stichwort. Robert beginnt zu unterscheiden: Die Hastigen sind die Hotelgäste. Wie ungeduldig sie ihre Butterpäckchen, ihre Zuckerstückchen auspacken, die Marmeladedöschen öffnen! Er nickt Tiedemann zu.
    »Morgens Zeit haben...«
    »Sich Zeit nehmen! Man bekommt
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