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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin
Autoren: Oliver Hassencamp
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Da mochte ich mich nicht zu den Rauchern setzen. Ich habe zu Hause einen Apfel gegessen.«
    Sie ging mit ihm in seiner Richtung. Das überraschte ihn, und er überlegte, was er sagen könnte.
    »Ich bin auch an die Luft geflüchtet. Morgenspaziergang an einem Arbeitstag — das kenne ich noch nicht.«
    »Sie wollen allein sein. Ich seh’s Ihnen an!«
    Robert sagt nichts. Sie gefällt ihm.
    »Wir müssen ja nicht reden«, meint sie.
    Hier hätte er eine Bemerkung zu ihrem Aussehen anbringen können. Doch das erscheint ihm zu abgeschmackt. Sie gehen nebeneinander, das Schweigen macht keine Schwierigkeiten. Aber die Nähe. Eine Ewigkeit hat er keine Frau mehr begleitet. Er rettet sich an Fassaden hinauf, die ihm sonst nicht aufgefallen wären: die Zuverlässigkeitspracht der alten Banken und Versicherungen, die Stabilitätsbunker der neuen — zwei Seiten derselben falschen Münze. Dann fühlt er sie wieder, an seiner Seite, ohne jede Berührung. Franziska würde jetzt aufstehen, und die Kinder. Merkwürdig. Stumm war man einander regelrecht ausgeliefert. Schweigen ist eine anspruchsvolle Sache. Weil es Übereinstimmung voraussetzt oder Zerwürfnis. Letzteres scheidet hier aus. Man kennt einander kaum, und Gleichgültigkeit, die Schweigen erleichtert, war nicht gegeben.
    »Wo arbeiten Sie eigentlich?«
    »Da vorne. Die Bank mit dem Säulenportal. Und Sie?«
    »Gegenüber. In dem Würfel auf Stelzen. Noch eine Runde?«
    Sie nickt. Schön ist die Stadt. Trotz steigender Verkehrsflut. Bei den Zebrastreifen faßt er sie am Oberarm. Weicher Stoff, beste Qualität. Drüben läßt er sie wieder los. Es war reine Höflichkeit, leicht angestaubte Höflichkeit, aber gerade mit der ließ sich gut Distanz halten. Ausstrahlung hängt ja davon ab, auf was man sich konzentriert. Daran würde er auch beim Chef denken, wenn er zu ihm durchkäme. Sich neutral halten, nichts wollen. Alles Vorsätzliche hindert den Erfolg.
    »Sie haben einen sehr schicken Mantel.«
    »Finden Sie?«
    »Der würde meiner Frau gut stehen«, hört er sich sagen und ärgert sich. Doch sie übergeht den Satz, nennt das Geschäft, wo sie ihn gekauft hat, aber nicht den Preis. Nur, daß er nicht teuer gewesen sei, sagt sie. Bis zur Bank wird Robert sie nicht begleiten. Überall strömen Kollegen.
    »Gestern waren Sie nicht im Café.«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Auch nicht im Büro, wie ich gehört habe. Waren Sie krank?«
    Wieder so ein ungeschickter Satz von ihm. Doch sie weicht nicht aus.
    »Ich habe mich nicht wohl gefühlt.«
    Robert bleibt stehen.
    »Dann auf Wiedersehn.«
    »Auf Wiedersehn und danke für den Spaziergang.«

    Das Schwimmen mit den Kindern in K & K’s prestigetüchtiger Badehalle war um eine Woche verschoben worden. Karin war mit Sebastian zum Geburtstag ihrer Mutter geflogen, und Karl hatte viel auswärts zu tun, was immer er darunter verstehen mochte. Seit ihrer Begegnung vor der Bäckerei hatte Robert ihn nicht mehr gesehen.
    Nun schwammen sie wieder, zogen zu viert ihre Bahnen, und Robert mußte von seinem neuen Tagesrhythmus erzählen. Es war ihm nicht recht gewesen, als Franziska das Thema anschnitt. Für subtilere Daseinsgestaltung besaßen K & K keine ausreichende Antenne. Aber Franziska mochte es, wenn Robert erzählte, weil er sehr anschaulich erzählte, wie sie fand. Also erzählte er, lobte den frühen Morgen, das Gefühl, Zeit zu haben. Wie erwartet schüttelte Karl den Kopf.
    »Mich kannst du damit jagen.«
    In unterschiedlichen Abständen unterbrachen die Kinder. Meist mit einem Eröffnungsschrei von Sebastian, weil Jennifer und Martin ihm zusetzten, wie jetzt, da sie ihn unter der kalten Dusche festhielten. Ihre Abneigung gegen das geigende Einzelkind saß tief. Vor jedem Zusammentreffen wurden sie von Franziska und Robert mit dem Satz: »Man muß auch zu Menschen nett sein können, die man nicht so mag!« auf die Wahrheit der Erwachsenen vorbereitet. Die befreundeten Eltern strapazierten diese Wahrheit ihrerseits, indem sie die offenkundige Antipathie dem Altersunterschied anlasteten. Sebastian war der Jüngste. »Gibt es bei euch Frühparkern auch Frauen?« wollte Karin wissen. Wahrheitsgemäß berichtete Robert von der einzigen, die er bisher wahrgenommen hatte. Möglicherweise aus der Absicht, die belächelte Gemeinde aufzuwerten, geriet er dabei über die Vergangenheit als Konferenzdolmetscherin, ihre Selbstsicherheit, ihren Witz in geschwätziges Schwärmen, das sich auf eine Frage nach ihrem Aussehen noch steigerte.
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