Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
Syndikus, der ihn zurückstuft, wo er nur kann, ist krank. Auf Wochen, heißt es. Und der Mann gestern, der ihm den Tip gegeben hat, kam vielleicht auch nicht von ungefähr.
    Elite Hotel garni steht in giftigen Leuchtbuchstaben auf der schmuck gegliederten Altbaufassade. Daneben, vorgeschoben wie ein Erker, das Café. Die Frau vor ihm zieht an der sichtlich schweren Glastür, sieht ihn kommen, hält sie, die schwere Tür, Robert beeilt sich. »Sie wollen sicher auch frühstücken«, sagt sie vergnügt; er nimmt ihr die schwere Tür ab.
    »Danke. So herum bin ich das gar nicht gewöhnt.«
    Sie lächelt, geht hinein, eine hübsche Erscheinung. Robert zögert, sieht sich erst um. Da winkt der einzige, den er hier kennt, der Mann, der ihm den Tip gegeben hat. »Na? Setzen Sie sich zu uns. Übrigens: Ich heiße Tiedemann.«
    Auch Robert nennt seinen Namen, nickt den anderen Herren zu und setzt sich. Die hübsche Erscheinung hat bei Herren am Nebentisch Platz genommen, wo man sie anscheinend kennt. Ob sie auch Frühparkerin ist?

    Zu Hause standen sie jetzt erst auf. Franziska hatte noch einmal tief geschlafen. Seit die Kinder da waren, konnte sie überall und zu jeder Zeit einschlafen und verlor, wenn sie geweckt wurde, nie ihre gute Laune. »Dusch nicht so lang, Jennifer. Sonst wirst du wieder nicht fertig.«
    »Es ist aber so schön, Mami.«
    »Dann dusch kalt, dann ist es nicht mehr schön.« Martin hatte heute überhaupt keinen Spaß daran, sich vor dem Waschbecken mit der Zahnbürste breitzumachen.
    »Wieso ist Pappi schon im Büro? «
    »Weil er keine Parklücke findet, wenn er später kommt.«
    »Warum nimmt er nicht die Stadtbahn?«
    »Das fragst du ihn am besten selber.«
    Franziska mußte noch viele Fragen beantworten, bis die beiden gefrühstückt hatten und für die Schule fertig waren.
    »So. Jetzt raus mit euch! Es ist höchste Zeit.«
    Es war jeden Tag dasselbe.
    Sie schloß die Tür, zog sich aus, drehte das Radio auf Wohnungslautstärke, duschte, cremte, kämmte sich vor dem Schrankspiegel in der Diele, suchte nach Falten, nach Speckansätzen und Strumpfhosen, turnte rhythmisch zu Dvorak, kochte sich Kaffee, eine große Tasse, mit Zucker und Sahne, ohne das eine oder andere, je nach Zeigerstand der Waage.
    Franziska genoß dieses Alleinsein in der Wohnung, dieses Zeithaben für sich. Robert hatte das nie. Eigentlich wurde er morgens wie ein Kind behandelt, wie ein älterer Schüler. Jetzt verstand sie seinen Wunsch.
    Zum Kaffee, heute ohne Zucker und ohne Sahne, las sie ausgiebig Zeitung. Politik, Kultur, Meldungen über aussterbende Vogelarten, Eheschließungen mit fünf Jahrzehnten Altersunterschied, umgekippte Flüsse und Seen, Nashornzwillinge, Gelegenheitskäufe und Frauen, die im Beruf ihren Mann stehen, Selbständige, Frauen in Schlüsselstellungen.
    Brachte das Radio einen Sprachkurs, wollte sie ab morgen mitmachen; bei Tips für Autofahrer dachte sie an den Führerschein, den sie immer noch nicht hatte. Dabei blieb es. Der Haushalt hielt sie fest und sie sich am Haushalt.
    Am späteren Vormittag rief meist Karin an oder kam vorbei, um sie zum Einkaufen abzuholen. Karin, mit Roberts Freund Karl verheiratet und seit gemeinsamer Schulzeit mit Franziska befreundet, stammte aus einer spät geadelten Beamtenfamilie, und beides hing ihr nach. Sie hatte die Villa in die Ehe eingebracht — genau der Rahmen, den sich Robert für seine Familie erträumte, auch wenn er nie ein Wort darüber verlor. Karl und Karin, kurz K & K genannt, waren ihre besten Freunde. Um zwölf rief Franziska im Büro an. Robert hatte wieder Pech gehabt, kam nicht durch zum Chef. Sie bewunderte ihn dafür, daß er sich nicht entmutigen ließ, und kochte, bis Jennifer und Martin aus der Schule kamen und die Früchte ihrer Bemühungen kommentarlos wegschaufelten.
    Nach dem Essen spielten die Kinder mit den Kindern aus dem Haus auf dem Rasen hinter dem Haus. Franziska nahm den Bus, fuhr zu Karin und half ihr im Garten. Später servierte das Hausmädchen Tee, und Sebastian, Karins einziges, unter erschwerten Umständen zur Welt gebrachtes Kind, durfte die nachmittäglichen Etüden auf der Geige beenden.
    »Bei Akademikern begabtes Kind sein müssen, ist auch eine Auflage«, hatte Robert einmal gesagt. Zwei Stunden täglich mußte der blasse Wunderknabe dem Ehrgeiz seiner Mutter opfern; er sollte der Jüngste im Schülerorchester werden. »Nur mit Disziplin können es Kinder über den Durchschnitt bringen«, erklärte Karin.
    Die Meinen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher