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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin
Autoren: Oliver Hassencamp
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nichts geschenkt«, sagt die hübsche Erscheinung und reicht dem Herrn von der Bank den umgeschriebenen Brief. Die Männer am Nebentisch erobern sie zurück, verwickeln sie in Belanglosigkeiten. Offensichtlich glauben sie zu flirten. Robert schaut in die Zeitung, die er neben seinem Teller zweispaltig zusammengefaltet hat, schneidet das zweite Brötchen auf und verfolgt das Gespräch am Nebentisch. Die hübsche Erscheinung führt das Wort. Sie habe eine ausgesprochene Schwäche für uni Krawatten, erzählt sie zu Roberts Vergnügen. Allein an den Gesichtern kann er ablesen, was die Angeredeten umgebunden haben. Dann erst fällt ihm ein: Als einziger an den beiden Tischen entspricht er ihrer Schwäche.
    Sie steht auf, ohne jeden Seitenblick. »Ich muß noch etwas Stadtluft schnuppern. Der Rauch hier...«
    Die Herren werden unruhig.
    »Gute Idee«, bemerkt einer und erhebt sich.
    Ein anderer ist schon aufgesprungen, hat ihren Mantel geholt und hilft hinein.
    »Guten Morgen allerseits«, sagt der erste und macht eine Geste, sie möge vorausgehen. Aber sie bleibt stehen, sieht ihn an, innig-eisig.
    »Ich möchte lieber allein gehen. Ich brauche ein bißchen Zeit für mich, bevor der Betrieb losgeht. Sie verstehen das?«
    »Deswegen stehen wir ja so früh auf!« sagt Robert, ohne es zu wollen. Sie lächelt allgemein und geht zur Tür. Der abgeblitzte Begleiter überholt sie, hält ihr die schwere Tür auf und schlägt draußen eine andere Richtung ein.
    »Na, was sagen Sie?« fragt Tiedemann mit der Miene eines Theaterdirektors, nachdem sein Star den Raum verlassen hat. Robert sagt nichts und erfährt Einzelheiten.
    Konferenzdolmetscherin sei sie gewesen, französisch, italienisch, englisch, acht Jahre lang. Heute Rom, morgen New York und alles simultan. Er könne sich ja vorstellen, was das bei Wirtschaftskonferenzen heißt. Sämtliche Fachausdrücke von Zersetzungsdestillation bis Kernverschmelzungsreaktion auswendig parat haben. »Und warum ist sie das nicht mehr?«
    Sie habe geheiratet, erfährt er. Vor ein paar Jahren. Der Mann soll sehr gut aussehen, sehr kultiviert sein und viel älter. Sie schaue nicht rechts und nicht links, alles ganz prima. Vater General a. D. Was er tut, der Ehemann, weiß Tiedemann nicht. Irgend etwas mit Kunst. Sie äußere sich da nie genauer, sei überhaupt sehr zurückhaltend.
    »Und was macht sie jetzt?«
    »Fremdsprachenkorrespondentin bei uns«, erfährt Robert von einem der Herren von der Bank.
    »Kinder?«
    Das wissen sie alle nicht, nicht genau, aber wohl nicht. Robert hätte gern nach dem Namen gefragt, unterläßt es aber und geht. Wieder hat er sich nicht eingestimmt, nicht die Zeitung gelesen.
    Morgen wird das anders!
    Robert kam etwas früher. Zwei Frühparker saßen schon am Tisch. Bei ihnen bezog er nach freundlichem Gruß und Bestellung hinter der Zeitung die Ich-will-jetzt-lesen-Haltung mit Erfolg. Tiedemann kam und machte mehrere Anläufe zu frohgemutem Geplauder; Roberts Abwehrwellen hielten ihnen stand. Doch je ingrimmiger er sich der Lektüre widmete, die Zeilen zerrannen unter den hastenden Augen. Nichts blieb haften, keine Information erreichte das Depot, aus dem der Bildungsbürger seine Umwelt füttert. Roberts Konzentration galt der Tür. Ständig wurde sic bewegt, nie jedoch im Zusammenhang mit der hübschen Erscheinung.
    War sie krank? Hatte sie verschlafen? Warum war er nicht ein paar Schritte gegangen nach dem Frühstück? Hatte er etwa auf sie gewartet?
    Jetzt war ihm Tiedemann recht, die unsinnigen Gedanken beiseite zu räumen; er redete auf ihn ein, bis es Zeit wurde zu gehen.
    Morgen wird das anders!
    Robert kam noch früher. Unausgeschlafene Vertreter kauten hastig, tranken hastig. Von den Frühparkern waren nur die Skatspieler schon komplett. Da niemand mit am Tisch saß, gegen den er die Zeitung hätte aufschlagen können, frühstückte er ohne zu lesen. Als Tiedemann erschien, bezahlte er und ging.
    Es hatte geregnet, die Luft schmeckte frisch gewaschen. Er ging schnell, um viel davon einatmen zu müssen. Bewegung ist eine wesentliche Form von Freiheit. Die hübsche Erscheinung war wieder nicht gekommen oder kam erst jetzt.
    Robert mußte nachdenken, endlich zum Chef durchkommen, die Sache eilte. Was wäre, wenn er einfach im Vorzimmer auftauchte, mit der richtigen Ausstrahlung?
    »Hallo.«
    Es war kein Zusammenstoß an der Ecke der Seitenstraße, eher ein angenehmer Aufprall.
    »Guten Morgen. Heute sind Sie aber spät dran.«
    »Die Luft ist so schön.
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