Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin
Autoren: B.C. Schiller
Vom Netzwerk:
keine Nachkommen und keine Familie. Ich bin allein. Plötzlich stand die Wärterin hinter mir, die damals so begeistert von Gregor gewesen war und mich hasst.
    „See, los mitkommen!“, kommandierte sie und schlug mir unbemerkt mit der Faust schnell in die Nieren, dass ich mich vor Schmerzen zusammenkrümmte. Wahrscheinlich schleppt sie mich jetzt in eine dunkle Ecke, um mir eine Abreibung zu verpassen, um ihren Frust an mir auszulassen, dachte ich damals und bereitete mich innerlich schon auf noch mehr Schmerzen vor.
    Doch statt zurück in den Zellentrakt führte sie mich in den Besuchstrakt, aber nicht den Weg, den ich sonst immer genommen hatte, wenn sich Besuch ankündigte, sondern direkt zum Büro des Gefängnisdirektors.
    „Warten Sie hier!“, herrschte mich die Wärterin an und klopfte vorsichtig an der Tür.
    „Frau See kann hereinkommen“, hörte ich Sekunden später eine Stimme, die mir bekannt vorkam. Es war Hellwig, der Inspektor, der mich vor Monaten ständig verhört hatte. Unsicher stolperte ich in den großen Raum, den ich nur zu Beginn meiner Untersuchungshaft betreten hatte, als der Direktor seine Belehrungsfloskeln herunterleierte. Das Büro hatte sich in der Zwischenzeit nicht großartig verändert, aber trotzdem war es für mich gänzlich anders. Das lag an den Personen, die anwesend waren. Neben dem Gefängnisdirektor, der hinter seinem Schreibtisch saß, lehnte Hellwig mit verschränkten Armen an der Tischkante. Sein Bart reichte ihm mittlerweile bis auf die Brust und gab ihm das Aussehen eines Philosophen. Der Staatsanwalt hatte die Hände in den Hosentaschen und sah angestrengt aus dem Fenster, so als würde ihn dieses seltsame Zusammentreffen überhaupt nichts angehen. Doch die Person, mit der ich am allerwenigsten gerechnet hatte, saß vor dem Schreibtisch auf einem Stuhl.
    Es war Isabelle Wagner, die kerzengerade mit zurückgeschobenen Schultern ganz vorne auf der Stuhlkante saß und mich mit ausdrucksloser Miene betrachtete. Sie trug wieder den altmodischen grauen Hosenanzug und diesmal eine hellblaue Bluse, die am Kragenrand einen Fettfleck hatte. Auf die Wangen hatte sie etwas zu viel Rouge aufgetragen, was den Eindruck hervorrief, als würde sie vor Aufregung glühen. Ich weiß nicht warum, aber in diesem Augenblick war Isabelle Wagner trotzdem die schönste Frau, die ich jemals gesehen hatte.
    „Die Strategie ist das Wichtigste!“, sagte sie, wie üblich ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten und erklärte mir, warum sich alle im Büro des Direktors versammelt hatten.
    Ehe ich eine Frage stellen konnte, blickte Hellwig auf seine Uhr.
    „Es ist schon spät. Wir müssen aufbrechen. Die Maschine landet bald.“
    Der Direktor drückte auf einen Knopf und die Wärterin, die anscheinend die ganze Zeit vor der Tür gewartet hatte, erschien, um mich wieder in meine Zelle zurückzubringen.
    „Aber ich will doch dabei sein!“, protestierte ich und wollte mich losreißen, doch die Wärterin drückte mir einfach den Arm auf den Rücken, sodass ich vor Schmerz aufschrie.
    „Lassen Sie Frau See sofort los! Sie tun ihr doch weh!“, schnauzte der Direktor die völlig überraschte Wärterin an, die schnell einen Schritt nach hinten trat und sich ihre Hand hektisch an der Uniformjacke abwischte, als hätte ich einen giftigen Ausschlag.
    „Was meinen Sie, Inspektor?“, fragte der Direktor Hellwig, der noch immer an der Schreibtischkante lehnte. „Können wir dieses Risiko eingehen?“
    „Ich würde sie mitnehmen! Es besteht doch kein Risiko. Ich glaube, sie hat es verdient!“, meinte er, kratzte sich seinen Bart und verzog die Lippen, was ich als Lächeln interpretierte.
    „Also dann, brechen wir auf!“

    Erst jetzt begreife ich, was vor einer Stunde wirklich passierte: Ich bin unschuldig und frei!
    In der VIP Lounge teilt uns eine wohlklingende Frauenstimme über viele versteckte Lautsprecher mit, dass die Maschine aus Brüssel gerade gelandet sei. Hellwig gibt mir ein Zeichen, dass ich mich diskret im Hintergrund halten soll, er selbst steht mit dem Staatsanwalt und Isabelle Wagner direkt beim Gate für die VIP-Passagiere.
    Isabelle Wagner benimmt sich so, als wäre sie die Partnerin von Hellwig und später erfahre ich, dass sie ihm auch zur Probe zugeteilt wurde. Es ist also ihr erster großer Auftritt und den will sie auf gar keinen Fall in den Sand setzen. Die ersten Passagiere kommen, es sind Politiker und fast nur Männer. Eine Delegation aller Fraktionen, die das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher