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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin
Autoren: B.C. Schiller
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verlassen, um nicht den Journalisten und Fernsehteams in die Hände zu fallen, die bereits in der Ankunftshalle auf den verhafteten Gregor warten.
    „Es geht um die richtige Strategie, das habe ich Ihnen doch gesagt!“, antwortet Isabelle Wagner betont gleichgültig und nestelt an ihrer verdrückten und fleckigen Bluse herum. „Meine Strategie war im Grunde ganz einfach: Der wirkliche Mörder gehört hinter Gitter und das unschuldige Opfer – in diesem Falle Sie – in Freiheit!“
    „Aha!“, sage ich ratlos und schüttle den Kopf. „Aber ganz habe ich das noch immer nicht verstanden!“
    „Ich wollte diesmal einfach auf Nummer sicher gehen! Keinen Fehler mehr machen und Sie nicht noch einmal enttäuschen, Adriana See. Der Brief und das Feuerzeug sind Indizien, die zu einer Verurteilung führen können, aber noch immer nicht müssen. Anders sieht es mit DNA-Spuren aus. Das sind Beweise, die Geschworene immer überzeugen. Auf dem Becher war genügend DNA von Gregor See. Das hat auch für die Folie gereicht, die in der Asservatenkammer gelagert wurde. Ich habe gewartet, bis ich alleine war und voilà … schon gab es die belastende DNA auf der Folie. Mehr will ich dazu nicht mehr sagen.“

    Wir sitzen in einem Tuk-Tuk, wie in Indien die Mopedtaxis genannt werden, das mit einem Höllentempo die breite Straße neben dem Marina Beach entlangfährt. Die Luft ist subtropisch heiß und ich kann mich einfach nicht sattsehen an den Menschen, Farben, Häusern und Pflanzen. Intensiv atme ich die exotischen Gerüche ein, die zu Tausenden durch die Luft schwirren und unglaublich sinnlich auf mich wirken. Der Himmel ist dunstig und die Wellen des Golfs von Bengalen schlagen träge gegen die abbröckelnden Kaimauern von Chennai.
    Ohne zu blinken, biegt das Tuk-Tuk in eine breite Allee ein, in der noch Häuser aus der Kolonialzeit stehen. Die Häuser machen einen leicht desolaten Eindruck, doch das wird durch die exotischen Blüten und Pflanzen mehr als wettgemacht. Vor einer großen baufälligen Villa bleibt der Fahrer stehen und lächelt. Wir sind angekommen.
    Wir – das sind Isabelle Wagner und ich. Nach meiner Freilassung habe ich Isabelle Wagner überzeugen können, zunächst einen Urlaub anzutreten, bevor sie ganz zur Kriminalpolizei wechselt. Ein Schlangenexperte wurde für Kaa gefunden und so gab es eine Ausrede weniger, warum sie nicht fahren könne. Die Reise nach Indien habe natürlich ich für sie bezahlt, das ist das Mindeste, was ich für sie tun kann, um mich erkenntlich zu zeigen. Isabelle Wagner hat es auch geschafft, alle Hindernisse der österreichischen und indischen Bürokratie zu überwinden, damit wir die Asche von Talvin Singh wieder nach Chennai bringen können.
    Jetzt sind sie also doch Wirklichkeit geworden: meine Träume vom fernen Chennai, dem indischen Ozean und der Bibliothek der Theosophischen Gesellschaft von Madras. Die baufällige Villa ist die frühere Bibliothek und Talvins Großvater darf zwischen seinen geliebten Büchern bis zu seinem Tod wohnen. Jetzt werde ich ihn auch gleich kennenlernen, jenen Mann, von dem er mir so viel erzählt hat, wenn wir uns liebten.
    Isabelle Wagner drückt mir die versiegelte Blechdose, die sie die ganze Fahrt über auf dem Schoss gehalten hatte, in die Hand.
    „Das ist jetzt Ihre Aufgabe. Sie waren seine Geliebte.“
    Als Isabelle Wagner das Wort Geliebte ausspricht, muss ich unwillkürlich schlucken und gehe schnell die ausgetreten Stufen hinauf auf die Terrasse. Über der großen doppelflügeligen Eingangstür steht noch immer in abblätternden Goldbuchstaben „Library“. Ehe ich klopfen kann, wird die Tür aufgerissen und ein Mann mit einer runden Brille und einem langen weißen Bart tritt nach draußen.
    „Namaste!“, sagt er und hängt mir einen Blumenkranz um den Hals. Noch immer halte ich die Blechdose in der Hand und weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.
    „Das ist die Asche von Talvin!“, sage ich schließlich und muss mich bei jedem Wort heftig räuspern. „Er hat Sie sehr geschätzt und mir immer von Ihnen erzählt.“
    Talvins Großvater, der Bibliothekar, sieht mich lange durch seine Brille hindurch an.
    „Kurz bevor Talvin starb, hat er noch mit mir telefoniert!“, sagt er dann in lupenreinem Oxford-Englisch. „Er hat gesagt, dass er die Frau seines Lebens kennengelernt hat.“
    Ich blicke ihn an und merke, dass mir eine Träne über die Wange läuft, aber diesmal ist es eine Träne der Freude.

Nachwort der Autoren
    Liebe
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