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Spionin in High Heels

Spionin in High Heels

Titel: Spionin in High Heels
Autoren: Gemma Halliday
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    Ich war spät dran.
    Und damit meine ich nicht, dass ich zu lange gebraucht hatte, um mir die Haare zu machen, und deswegen jetzt im Stau feststeckte. Ich meine, ich war wirklich spät dran. Den Warnhinweis auf der Kondompackung, dass kein Verhütungsmittel hundertprozentige Sicherheit garantiere, vor meinem inneren Auge, umklammerte ich das Steuer und dachte verzweifelt: Warum ich? Warum, ach, warum ich? Ich bin doch eine Frau des neuen Jahrtausends. Ich habe immer brav im Sexualkundeunterricht aufgepasst. Ich trage immer ein Notfallkondom in meiner Handtasche mit mir herum. Und nach der ersten außerordentlich peinlichen Erfahrung auf dem Rücksitz von Todd Hansons 82er Chevy nach dem Abschlussball der 11. Klasse, bin ich immer vorsichtig gewesen. Ausgerechnet ich war spät dran. Und ich stand am Rande eines Nervenzusammenbruchs.
    »Dana?« Stille. »Dana, ich muss mit dir reden.« Stille. »Ich schwöre bei Gott, wenn du da bist und nicht drangehst, werde ich nie wieder ein Wort mit dir sprechen.«
    Ich nahm mein Handy in die andere Hand, als ich die Spur wechselte und dabei beinahe mit einem Pick-up zusammengestoßen wäre, auf dem »Wasch mich« in die dicke Staubschicht geschrieben stand, bevor ich weiter verzweifelt den Anrufbeantworter meiner besten Freundin anflehte.
    »Dana, bitte, bitte, bitte, nimm ab! Bitte!« Ich lauschte. Nichts. »Okay, dann bist du wohl wirklich nicht da. Aber bitte, bitte ruf mich zurück, sobald du diese Nachricht abhörst. Ich meine pronto. Dies ist ein Code Red, ein echter Notfall. Ich muss mit dir reden, jetzt sofort!« Beim letzten Wort drückte ich kräftig auf die Hupe, als ein Glatzkopf in einem Kabriolett mich schnitt und dann auch noch die Dreistigkeit besaß, mir den Finger zu zeigen. Willkommen in L.A.!
    Ich klappte mein Telefon zu. Dabei brach ich mir einen „French“ manikürten Fingernagel ab und versuchte, bis zehn zählend, mich an die Entspannung versprechende Atemtechnik zu erinnern, die ich in dem Yoga-Kurs gelernt hatte, zu dem Dana mich letzten Monat mitgeschleppt hatte. Leider war ich damals ganz damit beschäftigt gewesen, mich beim nach unten schauenden Hund nicht auf die Nase zu legen, wobei ich, glaube ich, sogar zu hyperventilieren begann.
    Ich fädelte mich auf den Freeway ein, warf einen Blick auf die digitale Armaturenuhr und stellte nicht ohne Ironie fest, dass ich jetzt nicht nur spät dran war, sondern auch zu spät kommen würde. Und zwar zu einer Verabredung zum Mittagessen mit meinem Freund, Richard Howe. Er hatte um ein Uhr einen Tisch bei Giani’s reserviert, und jetzt war es schon zwölf Uhr achtundfünfzig. Ich drückte meine Wildlederstiefel (die meine Kreditkarte bis zu ihrem Maximum ausgereizt hatten, aber sie waren es wirklich wert!) noch ein wenig mehr auf das Gaspedal, nachdem ich mich im Rückspiegel vergewissert hatte, dass keine Polizei in Sicht war. Nicht, dass ich zu schnell gefahren wäre. Nicht viel zu schnell. Aber so, wie der Tag begonnen hatte, war ich nicht gerade scharf auf eine Begegnung mit der Staatspolizei.
    Während ich mich nach Motorradpolizisten umsah, warf ich gleichzeitig einen prüfenden Blick in den Spiegel. Nicht schlecht, wenn man bedachte, dass ich gerade den Schock meines Lebens hinter mir hatte. Mein aschblondes Haar war zu einer hübschen halben Banane hochgesteck t – ein paar Strähnen hatten sich gelöst, aber der zerzauste Look war ja in. Ich tupfte ein wenig Raspberry Perfection Lipgloss auf meine Lippen und übersah geflissentlich die obszönen Gesten des Typen im Wagen neben mir. Hey, wenn eine Frau in einer Krise keinen Lippenstift hatte, was blieb ihr dann noch?
    Bis ich meinen kleinen, roten Jeep (mit Dach heute, um meine Frisur zu schonen) in die Parkgarage an der Ecke 7th und Grand fuhr, zeigte man mir nur noch zweimal den Finger. Ich befestigte sorgfältig die Lenkradkralle und machte mich auf den Weg zur Kanzlei meines Freundes, wo ich ihn i n … – ich warf einen Blick auf meine Armbanduh r – Mist, vor zwölf Minuten hätte treffen sollen! Nun, wenn er den Grund dafür erfuhr, würde er wohl bald andere Sorgen haben als meine Verspätung.
    Ich hatte fürchterliche Angst vor diesem Gespräch. Im Kopf hatte ich es schon durchgespielt: Hi, Richard, tut mir leid, dass ich zu spät komme; übrigens, ich bin vielleicht schwanger. Dann würde so ein Geräusch wie im Zeichentrickfilm zu hören sein, wenn Richard so schnell wie der Road Runner durch die Tür war. Seufz! Es gab einfach
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