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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin
Autoren: B.C. Schiller
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mein Businesshandy getippt und nach einer längeren Wartezeit eine unmögliche Antwort erhalten: „Die Dachgeschosswohnung steht seit acht Monaten leer. Wenn Sie die Wohnung mieten möchten, wenden Sie sich bitte an das Immobilienbüro Berger am Kohlmarkt.“
    Das ist alles eine Verwechslung, denke ich, während ich mit einem ungeahnten Heißhunger eine Veganer-Quiche verschlinge, die mir die unglaublich dünne Kellnerin mit Modelattitüde auf den Tisch knallt. Sie beugt ihren dürren, flachbrüstigen Oberkörper zu mir herunter und zischt mir ins Ohr: „Wenn du noch einmal hier fotografierst, geht es dir genauso wie deinem Liebhaber!“
    „Was haben Sie gesagt?“, rufe ich laut und zucke zurück.
    „Schichtwechsel. Ich muss kassieren.“
    Ich widerstehe dem Drang, meine Kamera wieder hervorzuholen, um sie zu fotografieren, um sicherzugehen, dass sie auch wirklich existiert. Stattdessen lege ich verwirrt zehn Euro auf das Marmortischchen. Mit spitzen Fingern greift sie nach dem Schein, gibt mir aber kein Wechselgeld zurück. Ich stelle mich dumm und tippe geschäftig eine Telefonnummer in mein Smartphone.
    Unter der Nummer des Immobilienbüros höre ich nur eine automatische Ansage mit dem Hinweis, dass derzeit wegen Urlaub geschlossen ist. Das ist Pech. Vorsichtig lege ich das Handy auf die abgewetzte Plüschbank, hole meine Kamera hervor, drücke auf ‚Anruf wiederholen‘ und schieße schnell ein Foto von meinem Smartphone mit der Nummer auf dem Display. Alles in Ordnung, denke ich zufrieden, als ich das Bild in meiner Kamera betrachte und dann sofort wieder lösche. ‚Alles in Ordnung!‘, wiederhole ich lautlos und verstecke die Kamera unter meiner Jacke.
    Die dürre Kellnerin, die mich mit ihrem langen Hals an eine Giraffe erinnert, steht oben am Tresen, der das Café von der Bar abtrennt und unterhält sich mit einem der Angestellten. Immer wieder werfen die beiden verstohlene Blicke in meine Richtung und ich habe den Eindruck, dass sie dem Mann von meiner Fotografierobsession erzählt. Wie auch immer, denke ich und setze eine bewusst arrogante Miene auf. Ich habe jetzt ganz andere Sorgen, denn ich habe getötet!
    Plötzlich und ohne Vorwarnung kommt mir mein Frühstück hoch und ich kann mir nur schnell die Hand vor den Mund halten, um das Schlimmste zu verhindern. Ich trample die Stufen hinunter zu den Toiletten, stoße die schmalen hohen Türen auf und kotze sofort das ganze Essen in ein Designwaschbecken, röchle und spucke Galle. Die Frau, die sich nebenan gerade die Haare bürstet, starrt mich ungläubig an, schüttelt dann missbilligend den Kopf.
    „In ihrem Alter schon am Mittag betrunken!“, zischt sie beim Hinausgehen und reflexartig greife ich nach meiner Kamera, doch diese liegt oben, versteckt unter meiner Lederjacke. Sehe ich wirklich aus wie eine Alkoholikerin? Ich riskiere einen schnellen Blick in den Spiegel, natürlich ist meine Haut kreidebleich, die Wangen sind ein wenig eingefallen, doch meine kornblumenblauen Augen, die ich nicht besonders mag, strahlen wie immer.
    Langsam schleiche ich zurück an meinen Tisch. Mein verschwitztes T-Shirt mit den hässlichen Schweißrändern ist auffällig, ja sogar eine Zumutung für die anderen Gäste – das jedenfalls denkt die magere Kellnerin, die jetzt alleine am Tresen lehnt und mich aufmerksam beobachtet.
    Wenn sie wüsste, dass in einer schönen Dachterrassenwohnung in bester Lage mein Liebhaber gerade von Maden zerfressen wird. Aber kein Bewohner der großen Stadt ahnt etwas davon, nur ich weiß es! Es kann sich ewig hinziehen, bis Talvin entdeckt wird, da zurzeit keine anderen Mieter im Haus wohnen Wie lange dauert es eigentlich, bis die weiter unten arbeitenden Handwerker auf den Gestank aufmerksam werden? Bis sie die Polizei rufen? Bis die Männer von der Spurensicherung in ihren weißen Raumanzügen das Messer finden? Werden sie etwas entdecken, das mich belastet und mich dann wegen Mordes verhaften? Habe ich durch diesen Skandal dann Gregors Karriere endgültig zerstört? Wiederholen sich jetzt die Vorkommnisse aus Schweden? Bin ich schuld, wenn unser Leben in die Brüche geht?
    „Hallo mein Liebes, du siehst noch immer so schön aus wie Rosenrot!“ Marion beugt sich über mich und drückt mir links und rechts einen Kuss auf die Wangen. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass sie das Lokal betreten hat. Marion Winter ist noch immer Single und hat noch immer pechschwarzes Haar, das aber niemals mit dem Schwarz von Talvin konkurrieren
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