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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin
Autoren: B.C. Schiller
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Meter hinter der Tür in einer Blutlache liegen und meine Lust erlischt. Ich packe meine Kamera und schieße mit Blitzlicht überbelichtete Bilder von der grauen Stahltür. Auf dem Display ist nur ein heller verschwommener Fleck zu sehen, es scheint so, als würde nicht einmal die Tür zur Wohnung meines Liebhabers existieren.
    Frustriert setze ich mich auf die Türschwelle und beschließe, einfach zu warten, bis Talvin auftaucht und mir eine logische Erklärung für die verschwundenen Türschilder gibt. Schützend ziehe ich meine dicke Lederjacke vor meiner Brust zusammen, stelle den Kragen auf und verkrieche mich in dem männlich riechenden Leder, das Sicherheit verströmt. Ich weiß, dass ich jetzt die Initiative ergreifen muss, um mich von diesen düsteren Gedanken zu befreien, die mich nach unten ziehen. Bald habe ich wieder den alarmierenden Zustand erreicht und dann kann mir nur noch Dr. Mertens helfen. Aber noch ist es nicht soweit. Für alles gibt es eine logische Erklärung, denke ich und beginne plötzlich, von innen heraus zu frieren.

3. Dienstag – mittags

    Ich sitze im Cafe Stein, das beruhigend weit von der Wohnung meines Liebhabers entfernt ist und warte auf Marion Winter, meine beste Freundin. Sie anzurufen war die einzige Aktivität, die ich durchgeführt habe, seit ich aus dem Haus in der Operngasse gerannt bin. Ich bin zu Fuß das dunkle Treppenhaus hinuntergehastet, da mir der Aufzug im vierten Stock plötzlich klein, eng und gefährlich erschien. Um das Unheil abzuwehren, habe ich einfach in den Spiegel an der rückwärtigen Aufzugswand geblitzt und bin dann zurück, ehe sich das altmodische Scherengitter schloss und mir die Hand mit der Kamera abtrennte. Beim Ausparken hatte ich den Außenspiegel eines schwarzen SUV gestreift, aber nicht angehalten. Im Rückspiegel sah ich einen Mann mit rasiertem Schädel aussteigen und den Schaden begutachten. Ich bremste abrupt ab, drehte mich um und schoss durch das rückwärtige Fenster eine Bilderserie von dem Mann, der mir mit der Faust drohte. Als ich jetzt die Bilder auf dem Display betrachten will, stelle ich fest, dass kein Chip in der Kamera war und es daher keine gespeicherten Bilder gibt.
    Die Gäste im Cafe Stein wirken alle fremdländisch und ich habe den Eindruck, als würden sie mich misstrauisch beobachten. Deshalb nehme ich meine Kamera, lege eine Speicherkarte ein und schieße solange Bild für Bild, bis sich eine dürre Kellnerin, die wahrscheinlich von einer Modelkarriere träumt, vor meinem Objektiv aufbaut und mit einem rotzigen Gesichtsausdruck sagt:
    „Das reicht jetzt! Sie stören die anderen Gäste!“
    Schnell lasse ich die Kamera sinken, denn ich will kein Aufsehen erregen, sondern nur meine therapeutischen Übungen absolvieren.
    Sehnsüchtig starre ich durch das hohe Fenster auf die Raucher, die draußen an den Tischen sitzen und sich bei ihren Zigaretten entspannen. Ich kämpfe dagegen an, aufzustehen und mir draußen eine Zigarette zu schnorren, schon um Gregor zu beweisen, dass ich noch immer stark bin. Ich habe nämlich vor zehn Jahren aufgehört zu rauchen und das bis jetzt durchgehalten, obwohl mein Mann Gregor vor fünf Jahren wieder damit angefangen hat und jetzt ein starker Raucher ist. Ich glaube, Gregor verzeiht es mir nicht, dass ich damals die Trauer um Paul nicht bei einer gemeinsamen Zigarette mit ihm geteilt habe. Damals wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, um uns über eine Zigarette wieder neu zu finden, zu verlieben und zu entdecken. Aber mein Schmerz war so groß, dass ich weder ans Rauchen noch an Gregor auch nur einen Gedanken verschwendet habe. Na ja, kurz darauf bin ich dann nach Schweden geflüchtet. Dort lernte ich Björn kennen, der mir die Angst vor dem Wasser nahm.
    Aber jetzt warte ich auf Marion, meine beste Freundin, und will mich daher nicht mit alten Geschichten belasten. Gleich am Telefon hat mir Marion den ersten Tipp gegeben, als ich ihr von dem verschwundenen Namensschild erzählt habe. „Warum rufst du nicht die Hausverwaltung an und fragst einfach, wer die Dachgeschosswohnung gemietet hat!“ Warum bin da nicht selbst darauf gekommen? Du meine Güte, Marion ist so strukturiert und weiß für alles eine Lösung. Was würde ich nur ohne Marion machen? Sie hat keine Fragen gestellt, nicht nach dem „Warum“ gefragt, ganz so, als wüsste sie über alles genau Bescheid.
    Ich bin daher ihrem Rat gefolgt und habe unten im Treppenhaus die Nummer der Hausverwaltung vom schwarzen Brett in
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