Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin
Autoren: B.C. Schiller
Vom Netzwerk:
stumm bleibt, sosehr ich auch die Klingel malträtiere. Mit der flachen Hand schlage ich gleichzeitig auf alle Klingelknöpfe und endlich kommt einer der Handwerker, die überall hämmern und bohren, auf die Idee, den Türöffner zu betätigen und ich gelange in das Haus.
    Das dunkle Treppenhaus ist beruhigend muffig wie immer. Erst wenn alle Wohnungen fertig sind, wird auch das Treppenhaus renoviert. Derzeit hängen überall Plastikbahnen an den Wänden und die Stufen sind mit Papier überklebt. Aus sportlichen Gründen gehe ich wie immer zu Fuß nach oben. Der Aufzug ist zwar in Betrieb, aber ich habe ein leichtes Problem damit, mich in engen Räumen aufzuhalten. „Das geht aber vorüber“, hat Dr. Mertens gesagt. „Machen Sie sich keine Sorgen, Adriana, gehen Sie einfach zu Fuß!“
    Talvin wohnt im fünften Stock, vier Stockwerke würde es mit dem Aufzug nach oben gehen, dann noch einmal eine Treppe, die in die oberste Wohnung führt. Bisher hatte ich noch nie über den engen beklemmenden Aufzug nachgedacht, zu sehr war ich mit Vorfreude erfüllt, die mich wie ein Kokon beschützt hat. Aber diesmal ist nichts wie vorher und die Angst lauert im Hintergrund, alleine wenn ich mir schon vorstelle, in dem Aufzug zu stecken. Ich brauche sofort ein Glas Wasser, wenn ich in der Wohnung meines Liebhabers bin und dann einen Drink, um mich zu beruhigen.
    Die Tür zu Talvins Wohnung liegt am hinteren Ende des Gangs. Links verhindert ein schmiedeeisernes, verschnörkeltes Geländer, dass man durch das Treppenhaus bis in den Keller hinunterstürzt, rechts befinden sich in regelmäßigen Abständen hohe Nischen, in denen früher griechische Statuen standen. Jetzt sind diese Nischen leer und scheinen nur darauf zu warten, dass mich Talvin auf die glatte Fläche schiebt und mich nimmt, noch ehe ich Hallo gesagt habe.
    Doch das sind nur meine Fantasien, denn ich stehe bereits vor der grau gestrichenen modernen Stahltür. Wie immer lege ich das Ohr gegen das kühle Metall, um die raubtierhaften Schritte von Talvin zu hören, die sich langsam nähern. Ich kann den Moment schon fast nicht mehr erwarten, wenn er die Tür aufreißt und mich in seine Arme nimmt. Wie eine Feder reißt er mich spielerisch in die Höhe und ich schlinge meine Beine fest um seine Hüften. Meine Finger krallen sich in sein schwarzes Haar und ich lasse mich von ihm nach hinten in das Spiegelzimmer entführen, wo er mich so heftig auf das Bett mit den bunten Kissen und duftenden Decken wirft, dass mir Hören und Sehen vergeht.
    Wieder und wieder drücke ich auf die Klingel, die aus einem schlichten rechteckigen Metall ragt und diesmal passend zur Tür aus grauem Stahl ist. Auch hier hat man das Namensschild abmontiert und alles was von dem Namen Singh übrigblieb, ist meine Erinnerung und eine gebürstete namenlose Fläche aus grauem Stahl. Das Klingeln verhallt ungehört in der Wohnung und die Tür bleibt verschlossen.
    Etwas passt hier überhaupt nicht zusammen, denke ich und konzentriere mich auf das Wesentliche. Ich bin in der Operngasse, in der sich die Wohnung meines Liebhabers befindet. Die Wohnung ist im fünften Stock und hat eine Terrasse, von der aus man die Oper und den Stephansdom gerade noch sehen kann. Das Haus wird derzeit renoviert, denn jemand hat die Namensschilder abgeschraubt, um sie zu vereinheitlichen. Moment, nur der Name meines Liebhabers ist entfernt worden, alle anderen waren ja noch gar nicht angebracht worden, erinnere ich mich. Aber nein, aber nein. Alles nur eine Täuschung, vielleicht war ja dort nie ein Türschild, denn wie gesagt, die anderen Mieter ziehen erst ein. Außerdem hatte ich ja Wichtigeres zu tun, als gerade darauf zu achten.
    Ich öffne meine Lederjacke und schiebe mein T-Shirt hoch, rutsche an der Tür entlang nach unten und stelle mir vor, dass mein Liebhaber auf der anderen Seite es genauso macht. Genauso wie ich legt er sein Ohr an das glatte Metall, hält so wie ich den Atem an, um meinen Herzschlag zu spüren, so wie ich seinen. Genauso wie ich presst er seinen Mund gegen das Eisen und denkt sich dabei die abenteuerlichsten Situationen aus. Genauso wie mich erregen ihn der kalte Stahl auf seinem nackten Oberkörper und das ohnmächtige Gefühl, dass wir uns nicht berühren können. Doch während ich mit meiner Zunge über das seelenlose Metall der Wohnungstür lecke und darauf warte, dass er auf der anderen Seite das Gleiche macht, sehe ich in meiner gedanklichen Bildergalerie meinen Liebhaber nur wenige
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher