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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin
Autoren: Christopher W. Gortner
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zeugte von dem unverbrüchlichen Hass der Nonnen auf meine Familie, da sie niemals von unserer Großzügigkeit profitieren würden. Meine Tante konnte nicht gewusst haben, dass ich an diesen Ort gebracht wurde; sie hätte sich bis zum letzten Atemzug dagegen gewehrt.
    »Ihr könnt mich nicht hierlassen«, sagte ich tonlos. Doch er verbeugte sich nur und zog sich zurück, während die Nonne mich am Arm packte.
    »Das ist das Ende«, zischte sie. »Dein Oheim, der Papst, verkriecht sich in seiner Zitadelle in Orvieto, und der Kaiser lässt seine Wölfe auf Rom los. Das ist es, was der Stolz Eurer Familie uns eingebracht hat: den Zorn Gottes. Aber diesmal gibt es kein Entrinnen. Hier wirst du für die Sünden der Medici Abbitte leisten.«
    Ich blickte in ihr namenloses Gesicht, das wie erstarrt vor Hass war, die farblosen Augen ohne Mitleid, und ich wusste, sie sah mich gar nicht. Tränen brannten mir in den Augen, als sie mich an der gespenstischen Reihe der Nonnen vorbeizerrte, die reglos unter dem Portikus standen, einen muffigen Korridor entlang in eine fensterlose Zelle, wo eine andere Nonne wartete.
    Die Tür schlug hinter mir zu. Die erste Nonne entkleidete mich und ließ mich nackt und zitternd dastehen. Dann zog sie etwas aus ihrer Tasche; ich duckte mich unwillkürlich, als ich eine Schere in ihrer Hand aufblitzen sah. »Wenn du dich widersetzt, wird es dir noch schlimmer ergehen«, sagte sie.
    Ich brach in Tränen aus, als sie meinen Zopf packte und abschnitt. Noch mit dem rosa Band umwickelt, fiel mein schönes Haar mir zu Füßen. Ein Schrei drängte sich in meine Kehle, aber ich unterdrückte ihn, schlotternd, als stünde ich im Schnee; ich wollte meine Schmach nicht eingestehen, während die Nonne mir das Haar bis zu den Wurzeln kappte.
    Als sie fertig war, warf sie mir eine grobe wollene Kutte über und drückte mir einen struppigen Besen in die Hand. »Aufkehren«, befahl sie und sah zu, wie ich die glänzenden Locken zusammenfegte. Ihr Blick war wie ein Feld im Winter, bar allen Lebens.
    Ohne ein weiteres Wort sperrte sie die Tür ab und ließ mich allein im Dunkeln, inmitten von Schimmelgeruch und Rattengeraschel. Ich weinte mich in den Schlaf.
    Wochenlang wurde ich Tag für Tag gezwungen, in ihrer eisigen Kapelle auf Stein zu knien, bis mir die Knie bluteten. Jede Nuance ihrer strengen Klosterregel musste ich aufs Peinlichste beachten; ich durfte nicht sprechen und bekam jeden Tag nur eine wässrige Suppe, gefolgt von endlosen Gebeten, die von einer hohl klingenden Glocke diktiert wurden. Nie war ich allein, außer bei Nacht; dann hockte ich in meiner Zelle und hörte fernen Kanonendonner. Ich wusste nicht, was außerhalb dieser Mauern geschah, doch Jammern und Klagen tönten von der Straße herauf, und Asche fiel vom raucherfüllten Himmel und bedeckte den kümmerlichen Küchengarten.
    Eines Nachts presste eine Schwester die Lippen an meine Tür und wisperte voller Schadenfreude: »Die Pest ist da, von den Franzosen eingeschleppt. Dein Oheim hat verseuchte Ausländer angeheuert, um Florenz in die Knie zu zwingen, aber das wird ihm nicht gelingen. Wir sterben eher, als dass wir die Medici noch mal unsere Stadt regieren lassen.«
    Die Nonnen verdoppelten die Anzahl ihrer Gebete, umsonst. Vier der älteren Schwestern erkrankten und starben, an ihrem Erbrochenen erstickend, von Beulen übersät. Ich verlor jeden Anschein von Würde und flehte sie an, mich gehen zu lassen, auf die Straße, wenn nötig, wie ein herrenloser Hund. Doch sie blickten mich nur an, als sei ich ein Tier, das für die Schlachtbank bestimmt war.
    Ich stellte mir meinen Tod vor, machte mich eine halbe Ewigkeit lang darauf gefasst. Wie auch immer er käme, ich müsste tapfer sein, sagte ich mir. Nie dürfte ich meine Angst zeigen, denn ich war eine Medici.
    Und dann, nach neun langen Monaten der Belagerung, als die großartigen Befestigungen der Stadt in Schutt und Asche lagen und die Leute an Hunger starben, hatte die Signoria keine Wahl mehr und musste sich ergeben.
    Die Armee, die mein Oheim finanzierte, marschierte ein.
    Die Nonnen brachen in Panik aus. Sie quartierten mich in eine größere Zelle um, brachten mir Käse und Pökelfleisch aus dem Keller, wo sie ihre Vorräte versteckt hatten. Sie sagten, sie hätten nur den Befehl der Signoria befolgt, nie hätten sie mir wehtun wollen. Ich sah sie teilnahmslos an. Mein Kopf wimmelte vor Läusen, mein Zahnfleisch blutete, mein Körper war zaundürr. Ich war so erschöpft davon,
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