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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin
Autoren: Christopher W. Gortner
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bisher gehört hatte. »Du hast mich gewarnt«, wisperte sie. »Du hast mir erzählt, dass der Maestro dies vorhergesagt hat. ›Rom wird fallen‹, sagte er. Aber wie Clemens war ich zu starrsinnig, um auf ihn zu hören.«
    Am liebsten wäre ich die Treppe hinaufgeflüchtet und hätte mich in mein Zimmer verkrochen, doch der Blick meiner Tante lähmte mich. »Die Signoria hat versprochen, dir nichts anzutun. Aber du musst ihnen gehorchen, Caterina. Du musst alles tun, was sie sagen.«
    Eine schwarze Woge der Angst schlug über mir zusammen. Ich hörte ihn nicht kommen, bis der hünenhafte Diener mir die Hand auf die Schulter legte. Das konnte doch nicht sein! Meine Tante war Zeugin meiner Geburt sowie des Todes meiner Eltern gewesen. Sie hatte mich dem Oheim in Rom überlassen, weil sie keine andere Wahl hatte, aber dann hatte sie mich nach Florenz zurückgeholt, um mich selbst zu erziehen. Auch wenn ihr eisernes Regiment mich oft verdross – an ihrer Liebe hatte ich nie gezweifelt. Das konnte sie doch nicht tun. Sie konnte mich doch nicht verlassen!
    Ich brach in jämmerliches Geheul aus. Der Diener presste mir die Hand auf den Mund; ich roch seine grobe Haut, als er mich hochhob. Wild vor Wut, versuchte ich, ihn zu beißen, wand mich und strampelte, während er mich mit stählernem Arm umklammerte. »Bitte, mein Kind«, schluchzte meine Tante, »es ist doch nur zu deinem Besten. Wir müssen dich in Sicherheit bringen!«
    Die Verzweiflung in ihrer Stimme brachte mich dazu, mit vermehrter Kraft Widerstand zu leisten; ich trat den Diener fest in die Seite, als er mich über seine Schulter warf und entschlossenen Schrittes in den Hof hinausging. Ich schlug mir die Fäuste an seinem harten Rücken wund, während wir den Hof durchquerten, vorbei an dem herrlichen Brunnen und dem zierlichen Bronze-David mit dem albernen Hut. Weiter, immer weiter ging es bis zum Tor des Palazzo.
    Draußen auf der Straße vernahm ich ein Heulen, als ob Dämonen über die Pflastersteine jagten. Ein Mann in einem Kapuzenumhang trat aus dem Schatten am Tor und sagte: »Gib sie mir.« Ich bäumte mich auf und schrie, als ich übergeben wurde. Der Fremde roch nach Ruß und Moschus; als er mich auf ein braunes Ross hob, sah ich in seine schwarzen Augen. Er war jung, hübsch. »Ich bin Aldobrindi«, wisperte er, »Sekretär der Signoria. Seid still, Duchessina, um unser beider Leib und Leben willen.«
    Die Torflügel schwangen auf, und ich stellte mir vor, wie die Dämonen warteten, Mistgabeln im Anschlag. Er schwang sich hinter mir aufs Pferd und warf mir etwas Schweres, Dunkles über den Kopf: ein Cape, um mich zu verbergen.
    Nun ging es hinaus auf die Straße. Obgleich ich die Menschen in der Via Larga nicht sehen konnte, hörte ich ihr ohrenbetäubendes Psalmodieren: »Tod den Medici! Tod den Tyrannen! «
    Eine Peitsche knallte; das Pferd tänzelte nervös. »Aus dem Weg«, knurrte Aldobrindi, »aus dem Weg, Gesindel! Ich komme von der Signoria!« Plötzlich herrschte unheimliche Stille. Ich drückte mich noch mehr an ihn, versuchte, mich so klein wie möglich zu machen, voller Angst, vom Sattel gezerrt und in Stücke gerissen zu werden.
    Dann bewegten wir uns wieder vorwärts, das Pferd schien wie auf Zehenspitzen zu gehen, durch die Stadt, die voller Rauch und Geschrei war. Durch einen Spalt im Umhang sah ich den öligen Schein von Fackeln vorüberwischen, die von rennenden Gestalten hochgereckt wurden; und überall Gebrüll, Gekreisch. Ich versuchte, ruhig zu bleiben. Doch je weiter wir ritten, desto mehr fürchtete ich mich. Ich hatte keine Ahnung, wohin er mich brachte und was mit mir geschehen würde, wenn wir dort ankamen.
    Als wir schließlich vor einem hohen Tor in einer mächtigen Backsteinmauer hielten, taumelte ich vor Erschöpfung. Der Fremde hob mich vom Pferd. Ich spürte meine Beine kaum noch, während Aldobrindi mich in einen düsteren Kreuzgang führte. Eine einzelne Fackel warf ein schaurig flackerndes Licht über die steinernen Säulen und den verwitterten Brunnen in der Mitte des Gevierts.
    Eine schwarz verhüllte Gestalt näherte sich. »Willkommen im Kloster von Santa Lucia.«
    Ich fuhr zusammen, blickte angstvoll zu Aldobrindi auf. Dies war das Haus der Savonarola-Schwestern, Anhängerinnen des verrückten Propheten, der gegen die Medici gepredigt hatte und von meinem Urgroßvater auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war. Das Kloster von Santa Lucia war das ärmste von ganz Florenz; dass es überhaupt noch stand,
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