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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin
Autoren: Christopher W. Gortner
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auf den Tod zu warten, dass ich nicht einmal mehr die Kraft hatte, sie zu hassen.
    Nach ein paar Tagen erschien Aldobrindi. Ich hatte genug gegessen, um ihn ohne Schwächeanfall zu empfangen, in demselben Kleid, das ich trug, als er mich aus meinem Palazzo geholt hatte. Seine schockierte Miene verriet ihn. Ich musste wohl wie ein Gerippe in rosa Damast ausgesehen haben, und er fiel auf die Knie und bat mich um Vergebung. Seine wehleidigen Entschuldigungen drifteten an mir vorbei. Als er oft genug beteuert hatte, dass ich freigelassen und nach Rom gesandt würde, fragte ich leise: »Wo ist meine Tante?«
    Eine unheilvolle Pause trat ein, ehe er entgegnete: »Madama Strozzi musste die Stadt verlassen, doch selbst aus dem Exil hörte sie nie auf, für Euch zu kämpfen, bis das Fieber sie dahinraffte.« Er griff in sein Wams. »Dies hat sie für Euch hinterlassen.«
    Ich blickte den Brief nicht an. Ich schloss ihn in den Händen ein und spürte durch das Papier die unsichtbare Gegenwart der Frau, die solch ein wichtiger Teil meiner Welt gewesen war, dass es nicht möglich war, mir ihr Verschwinden vorzustellen. Ich weinte nicht. Mein Kummer war zu tief.
    Noch am gleichen Tag verließ ich Santa Lucia und wurde nach Rom gebracht. Ich wusste nicht, was mich erwartete.
    Alles, was ich wusste, war, dass ich elf Jahre alt war, dass meine Tante tot war und mein Leben nicht mir gehörte.

4
    Die Stadt, die ich verließ, war ein Trümmerfeld; die Stadt, in die ich zurückkehrte, war nicht wiederzuerkennen. Ich war von meiner Eskorte gewarnt worden, dass Rom schwer unter der kaiserlichen Belagerung gelitten hatte, doch als wir über die Hügel ins Tibertal ritten, traute ich meinen Augen nicht. Ich hatte nur noch vage Erinnerungen an die kurze Zeit, die ich in den sumpfigen Dünsten und herrlichen Palazzi der Ewigen Stadt verbracht hatte; nun aber wünschte ich, ich könnte mich an gar nichts mehr erinnern.
    Rauchende Gemäuer ragten vor der verwüsteten Landschaft auf. Als wir in die Stadt einritten, sah ich Männer mit leeren Blicken und verstörte Frauen mit gesenkten Köpfen in ausgebrannten Ruinen sitzen, umgeben von zerschlagenem Hausrat und zertrampelten Besitztümern. Ich sah ein Grüppchen zerlumpter Kinder, die still dastanden, ratlos, als wüssten sie nicht, wo sie hingehörten. Das Herz krampfte sich mir zusammen, als ich begriff, dass sie Waisen waren wie ich, aber keinen Ort mehr hatten, wo sie hingehen konnten. Außer den Mauleseln, die zum Schutträumen benutzt wurden, sah ich kein einziges Tier, nicht einmal die sonst so allgegenwärtigen Katzen. Ich wandte den Blick ab von den aufgedunsenen Leichen, die wie Feuerholz in den Straßen aufgeschichtet waren, von den Lachen geronnenen Bluts, die den Widerschein des verdüsterten Himmels schluckten, und sah starr vor mich hin, als ich in den Lateran geführt wurde, wo ich untergebracht werden sollte.
    Räumlichkeiten waren eingerichtet worden, die auf den zertrampelten Park hinausgingen, und ein Hauswesen von Edelfrauen, die mich erwarteten; unter ihnen Lucrezia Cavalcanti, ein blondes Mädchen mit leuchtend blauen Augen und gertenschlanker Figur, die mir erklärte, dass mein päpstlicher Oheim noch nicht aus Orvieto zurück sei, jedoch die Anweisung hinterlassen habe, mir jeglichen Luxus zu gewähren.
    Sie lächelte. »Nicht, dass wir viel zu bieten hätten. Die Gemächer Seiner Heiligkeit sind geplündert worden, alles von Wert gestohlen. Aber wir können uns glücklich schätzen, dass wir genug zu essen haben. Wir werden unser Möglichstes für Euch tun, Duchessina, doch ich fürchte, mit Seidenlaken können wir zurzeit nicht dienen.«
    Sie war fünfzehn Jahre alt und behandelte mich wie eine Erwachsene, die nicht vor den Tatsachen dieser Welt geschützt werden musste. Das war mir recht. Ich wollte nicht mehr verwöhnt oder belogen werden.
    In meiner Schlafkammer setzte ich mich auf das Bett und sah zu, wie die Sonne hinter den pinienbestandenen Hügeln Roms versank. Dann zog ich den Brief meiner Tante hervor. Es waren nur wenige Zeilen, in der zittrigen Handschrift einer Sterbenden hingekritzelt.
    Mein Kind, ich fürchte, ich werde Dich in diesem Leben nicht wiedersehen. Doch ich werde nie aufhören, Dich zu lieben, und ich weiß, dass Gott in Seiner Gnade über Dich wachen wird. Denke immer daran, dass Du eine Medici bist, zu Gro ßem bestimmt. Du bist meine Hoffnung, Caterina. Vergiss das nie.
    Ich drückte den Brief an die Brust, rollte mich auf dem Bett
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