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Die fetten Jahre

Die fetten Jahre

Titel: Die fetten Jahre
Autoren: Koonchung Chan
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»Wann habt ihr angefangen, das Zeug ins Wasser zu mischen? An welchem Tag war das?«
    »Es gibt ein ganz genaues Datum: Es war am ersten Tag nach der dreiwöchigen Anti-Kriminalitätskampagne. An diesem Tag haben die Wasserwerke aller größeren Städte und Kreise zeitgleich damit begonnen, das Mittelchen unters Volk zu bringen, denn am nächsten Tag sollte das Goldene Zeitalter Chinas offiziell anlaufen, und so haben wir die Gemütslage der Bevölkerung behutsam und minimal angepasst …«
    »Ich bring dich um!«, brüllte Zhang Dou und ging wie ein wild gewordenes Tier auf He Dongsheng los. »Ich bring dich um!« Er warf sich mit seinem mächtigen Körper auf ihn und begrub den schmächtigen Gefangenen unter sich.
    Entsetzt versuchten Chen, Xiaoxi und Fang Caodi, ihn von He Dongsheng wegzuziehen, doch Zhang Dou war stark wie ein Bär und auch mit vereinten Kräften nicht aufzuhalten.
    Sie riefen: »Zhang Dou, lass ihn los! Bist du verrückt geworden?!«
    Zhang Duo hatte seine Hände um He Dongshengs Kehle gelegt und brüllte: »Du hast Miaomiao auf dem Gewissen! Du hast ihr das angetan!«
    He Dongsheng lief blau an. Da hörten sie plötzlich einen schrillen Schrei. Zhang Dou löste seinen Würgegriff und wand den Kopf zur Tür. Miaomiao stand im Rahmen und sah ihn mit erbostem Blick an. Sie hielt einen Teller mit Keksen in der Hand.
    Fang Caodi packte die Gelegenheit beim Schopf und zog Zhang Dou von He Dongsheng herunter.
    Chen und Xiaoxi saß der Schreck noch in den Gliedern. Es hatte nicht viel gefehlt und He Dongsheng hätte den Angriff nicht überlebt. Er rang nach Luft.
    Zhang Dou sagte mit schwacher Stimme: »Die sind schuld. Am Tag, als die Repressionskampagne aufhörte, ist sie krank geworden. Weil die da etwas ins Wasser getan haben!«
    Heiser und außer Atem sagte He Dongsheng: »Verrückte! Ein Haufen Verrückte! Ihr …« Er wollte sagen: »Bringt mich ruhig um, wenn ihr euch traut!«, aber sein Verstand sagte ihm, dass es nicht unbedingt ratsam war, seinen Kidnappern solche Anregungen zu geben.
    Chen gewann als erster seine Fassung zurück und brachte ihm ein Glas frisches Wasser. He Dongsheng vermied es, ihn anzusehen. »Ich lockere deine Fesseln. Du musst etwas trinken.« Von soviel Fürsorge war der Entführte beinahe gerührt.
    Während Chen die Fesseln löste, sagte er: »Das eben war ein Unfall, glaub mir. Die Hähne fangen schon an zu krähen, gleich dämmert es und die Nacht ist vorbei. Bald hast du es hinter dir.«
    Er ließ ihn trinken und wandte sich an die anderen: »Habt ihr noch Fragen, die ihr stellen wollt?«
    Da fiel es Fang Caodi ein: »Ja, natürlich, um ein Haar hätte ich es vergessen: der verschollene Monat! Genaugenommen waren es achtundzwanzig Tage, eine Woche Anarchie und drei Wochen Repression, wie Sie gerade selbst sagten. Bis auf Sie und uns drei hier kann sich niemand daran erinnern. Auch Herr Chen weiß es nicht mehr, stimmt’s?«
    »Ich kann mich in der Tat nicht erinnern«, antwortete dieser.
    He Dongsheng begann zu kichern. Das Sprechen fiel ihm noch sichtlich schwer. Er schluckte, dann krächzte er: »Gebt mir noch etwas Wasser!«
    »Was hat es damit auf sich, Herr He?«, fragte Fang Caodi weiter. »Hat es etwas mit der Vogelgrippeimpfung zu tun, die in dem Jahr alle bekommen haben? Es war kein Impfstoff, sondern ein Mittel, das Amnesie auslöst, nicht wahr? Steckt das Stabilitätsbüro dahinter?«
    »Nein«, korrigierte ihn He Dongsheng, »das war wirklich nur ein Impfstoff gegen Vogelgrippe. Und insgesamt sind damals nicht mal hundert Millionen Menschen damit behandelt worden. Das Stabilitätsbüro hat kein Wundermittel, das Erinnerungen auslöschen kann. Wäre schön, wenn es so wäre. Dann könnte die Partei ihre eigene Geschichte nach Belieben umschreiben …«
    »Aber wie habt ihr es dann gemacht?«, fragte Fang Caodi.
    »Ist es das MDMA?«, fragte Xiaoxi.
    He Dongsheng konnte ein erneutes Kichern nicht unterdrücken: »Ehrlich gesagt: Wir wissen es nicht! Wenn ihr mich nach der Ursache fragt, dann kann ich nur sagen: Wir haben absolut keine Ahnung; es ist uns selbst ein Rätsel! Ihr braucht nicht zu glauben, dass alles in unserer Macht steht. Vieles hätten wir auch nicht so erwartet. Den verschollenen Monat, von dem du redest, hätten wir uns nicht mal zu erträumen gewagt.«
    »Machen Sie uns doch nichts vor … Wenn Sie es nicht wissen, wer dann?«, fragte Fang Caodi.
    »Ich mache euch nichts vor! Ich verrate euch alles, was ich weiß.« Und als wäre er
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