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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid]
Autoren: Sandra Brown
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Prolog
    Key West Florida, 1988
    Cracker und Sardinen. Seine Hauptnahrung. Dazu ein Stück einfachen Käse und eine koschere Dillgurke – und schon hatte man die vier wichtigsten Lebensmittel beisammen. Eine bessere Kost gab es einfach nicht.
    So die unerschütterliche Meinung von Hatch Walker, dessen sonnengegerbte, windzerfurchte Visage höchstens eine Gorgonenmutter lieben konnte. Während er sein Abendessen malmte, strichen zusammengekniffene Augen, die schon gegen unzählige beißende Sturmböen angeblinzelt hatten, über den Horizont.
    Er hielt Ausschau nach zuckenden Blitzen, den Vorboten eines Sturms. Obwohl hier an Land noch nichts darauf hindeutete, war er längst irgendwo dort draußen, tankte Energie und saugte Feuchtigkeit aus dem Meer auf, um sie schwallweise wieder auf die Erde zu peitschen.
    Aber erst später. Über dem Hafen hing ein Viertelmond am klaren Himmel. Sterne trotzten dem grellen Neonlicht unten. Aber Hatch ließ sich nicht täuschen. Noch ehe das Barometer fiel, konnte er einen nahenden Wetterwechsel in seinen Knochen spüren. Er konnte einen Sturm sogar riechen, bevor Wolken aufkamen, oder ein Segel die erste starke Windböe einfing. Seine Wettervorhersagen lagen nur selten falsch. Noch vor Morgengrauen würde es regnen.
    Geräuschvoll bohrten sich seine nikotingelben Zähne ins eingelegte Gemüse. Die Lake mit Knoblauchgeschmack war ein Genuss, den er mit einem Bissen Käse noch steigerte. Besser ging es nun wirklich nicht. Ihm waren Leute ein Rätsel, die für ein Essen, das nicht einmal einen Fingerhut füllte, freiwillig einen ganzen Wochenlohn bezahlten, wenn man genauso gut – und seiner Ansicht nach sogar verdammt viel besser – für anderthalb Dollar essen konnte. Maximal.
    Natürlich zahlten die für mehr als nur die Lebensmittel. Sie finanzierten Parkwächter, gestärkte weiße Tischdecken und Kellner mit Ohrringen und gespreiztem Gang, denen schon die bloße Bitte um eine Extraportion Brot zu viel war. Man bezahlte für den französischen Fantasienamen, den sie einem Fischfilet verpassten, das früher einfach Fang des Tages geheißen hatte. Solche pompösen Lokale hatte er in sämtlichen Häfen der Welt gesehen. Ein paar waren sogar hier in Key West aufgetaucht. Und die verabscheute er am meisten.
    An Wochentagen wie diesem war es auf den Straßen relativ ruhig. Die Touristensaison klang langsam ab. Man muss dem lieben Gott auch für Kleinigkeiten danken, dachte Hatch, während er seine Pepsi-Dose leerte. In das Rülpsen mischte sich ein verächtliches Räuspern für Touristen im Allgemeinen, insbesondere für die, die Key West scharenweise überschwemmten.
    Zu Tausenden fielen sie alljährlich ein, zugeklatscht mit widerlich stinkendem Sonnenöl und bepackt mit Fotoausrüstungen, quengelnde Blagen im Schlepptau, die eines von Disneys künstlichen Blendwerken oben in Orlando einem der spektakulärsten Sonnenuntergänge des Planeten jederzeit vorgezogen hätten.
    Für solche Narren hatte Hatch nur Verachtung übrig. Schufteten fünfzig Wochen im Jahr einen vorzeitigen Herzinfarkt herbei, um dann während der restlichen zwei doppelt so hart an ihrem Vergnügen zu arbeiten. Dass sie für dieses Privileg auch noch ihre weichen blassen Hintern zu Markte trugen, verblüffte ihn umso mehr.
    Unglücklicherweise hing sein Lebensunterhalt von ihnen ab. Und damit steckte Hatch in einem moralischen Dilemma: Trotz seiner Verachtung hätte er ohne diese Touristeninvasion nicht überleben können.
    »Walkers Ausflugsfahrten und Bootsverleih« bekam seinen Teil ab vom Geld der Urlauber, das sie während ihrer lärmenden Besetzung seiner Stadt ausgaben. Er versorgte sie mit Tauch und Schnorchelausrüstung, lieh ihnen Boote und nahm sie zum Hochseefischen mit, damit sie wieder an Land gehen und ihre sonnenverbrannten Birnen mit einem Edelfisch fotografieren lassen konnten, den ihre blöde Knipserei vermutlich mehr beleidigte als der Fang an sich.
    Heute Abend lief das Geschäft nicht gerade glänzend, aber auch das hatte sein Gutes. Ruhig war es, fast schon friedlich. Und das war nicht schlecht. Ganz sicher nicht. Nicht im Vergleich zum Leben auf Handelsschiffen mit ihren lauten und voll gestopften Kajüten, ohne einen Hauch Privatsphäre. Davon hatte er die Schnauze gestrichen voll. Besten Dank. Gebt Hatch Walker seine Einsamkeit und Ruhe, und zwar jederzeit.
    Das Wasser im Jachthafen lag ruhig wie ein See da. Fast ungebrochen spiegelten sich die Lichter vom Land auf der Oberfläche.
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