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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid]
Autoren: Sandra Brown
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sie bei ihnen etwas gut.
    Das brachte sie wieder auf den Prolog von Neid, den sie heute Nachmittag gelesen hatte. Das Manuskript hatte sie unter einem Stapel unangeforderter Einsendungen entdeckt, die schon seit Monaten ein Regal in ihrem Büro belegten und bis zu einem Tag in weiter Ferne Staub ansammelten, an dem ihr Terminkalender einen flüchtigen Blick darauf gestattete. Anschließend würde sie den bange wartenden Autoren den üblichen Absagebrief schicken. Angesichts der niederschmetternden Enttäuschung, die diese beim Lesen eines unpersönlichen, aber deutlichen Laufpasses überfallen würde, verdiente jeder Autor wenigstens ein paar Minuten ihrer Zeit.
    Und außerdem gab es immer diese abwegig nebulöse Chance von eins zu einer Million, die durch jedes Lektorenhirn spukte: dass genau unter diesem Schrotthaufen der nächste Steinbeck, Faulkner oder Hemingway wartete.
    Maris wäre schon mit einem neuen Bestseller zufrieden. Diese fünfzehn Prologseiten waren definitiv viel versprechend. Sie hatten Maris mehr als jede andere Lektüre in jüngster Zeit mitgerissen. Und darunter befand sich sogar Material von ihren bereits veröffentlichten Autoren. Ganz gewiss jedoch handelte es sich um eine aufregendere Lektüre als sämtliche Ergüsse von Nachwuchsdichtern.
    Sie hatte ihre Neugierde erweckt, wie das ein Prolog oder ein erstes Kapitel tun sollte. Sie war gefesselt, wollte unbedingt mehr wissen und war ganz wild darauf, die restliche Geschichte zu lesen. Doch war die überhaupt schon geschrieben? Sie rätselte. Oder wenigstens in Umrissen skizziert? Handelte es sich um den Erstversuch eines Autors in Sachen Belletristik? Hatte er oder sie Schreiberfahrung in einem anderen Genre? Worin bestanden seine/ihre Referenzen? Hatte er/sie überhaupt welche?
    Obwohl nichts auf das Geschlecht des Schriftstellers hindeutete, tippte ihr Instinkt auf männlich. Hatch Walkers Selbstgespräche standen ganz im Einklang mit seinem deftigen Charakter und lasen sich so, wie ein Mann denken würde. Der Erzählton spiegelte die poetische Ader des alten Seebären.
    Und doch hatte ein völlig unerfahrener Mensch diese Seiten eingesandt, einer, dem man nie beigebracht hatte, wie man ein Manuskript bei einem zukünftigen Verleger einreicht. Er hatte sämtliche Standardregeln gebrochen: kein adressierter und frankierter Rückumschlag, kein persönliches Anschreiben, weder Telefonnummer noch Adresse, Postfach oder E-Mail-Adresse. Lediglich jene drei Initialen und der Name einer Insel, von der Maris noch nie etwas gehört hatte. Wie konnte der Schriftsteller auf einen Verkauf seines Manuskriptes hoffen, wenn man keinen Kontakt zu ihm aufnehmen konnte?
    Ihr fiel auf, dass der Poststempel auf dem Umschlag vier Monate alt war. Sollte der Autor den Prolog bei mehreren Verlegern gleichzeitig eingereicht haben, war das Buch eventuell bereits verkauft. Um so mehr galt es, ihn schnellstmöglich zu lokalisieren. Entweder verschwendete sie ihre Zeit, oder sie war einem potenziellen Erfolg auf der Spur. Eines stand jedenfalls fest: Sie musste sich Gewissheit verschaffen und das eher früher als später.
    »Du bist noch nicht fertig?«
    Noah tauchte in ihrer offenen Bürotür auf, im Armani- Smoking. Maris sagte: »Meine Güte, siehst du schick aus.« Ein rascher Blick auf ihre Schreibtischuhr bestätigte, dass sie jedes Zeitgefühl verloren hatte und tatsächlich spät dran war. Mit einem kurzen, geringschätzigen Lachen über sich selbst raufte sie sich die Haare. »Während es bei mir wohl größerer Renovierungsarbeiten bedarf.«
    Der Mann, der seit zweiundzwanzig Monaten ihr Ehemann war, schloss die Türe hinter sich, ging weiter in ihr Eckbüro und warf eine Branchenzeitschrift auf ihren Schreibtisch. Dann trat er hinter ihren Sessel und begann mit einer Nacken und Schultermassage. An diesen Stellen stauten sich bei ihr Anspannung und Müdigkeit, das wusste er genau. »Harter Tag?«
    »Eigentlich gar nicht so übel. Nur eine Konferenz, am Nachmittag. Heute habe ich hauptsächlich hier drinnen Platz geschaffen.« Sie deutete auf den Stapel abgelehnter Manuskripte, die auf ihre Rücksendung warteten.
    »Du hast das Zeug aus deinem Schrotthaufen gelesen? Maris, also wirklich«, schalt er spielerisch. »Warum machst du dir diese Mühe? Einer der Grundsätze bei Matherly Press lautet, nie etwas zu kaufen, was nicht über einen Agenten eingereicht wurde.«
    »Das ist die offizielle Richtlinie des Hauses, da ich aber eine Matherly bin, kann ich die
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