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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid]
Autoren: Sandra Brown
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zerschundenes Gesicht in die Hände und fing wieder zu schluchzen an.
    Der Offizier schaute zu Hatch hinüber, als wollte er ihn um Rat fragen. Hatch starrte zurück. Am liebsten hätte er gefragt, warum er ihn so anschaute. Er war kein Berater, kein Vater. Er war noch nicht einmal ein Offizier der Küstenwache oder ein Bulle, verdammt und zugenäht. Das war einfach nicht mehr sein Problem.
    Als er freiwillig nichts von sich gab, wollte der Offizier wissen, ob er der Version des Jungen etwas hinzuzufügen hätte.
    »Nein.«
    »Haben Sie die Rauferei gesehen oder gehört?«
    »Ich habe nur eines gesehen: dass die ihren Spaß hatten.«
    Der Offizier wandte sich wieder dem jungen Mann zu.
    »Gute Freunde raufen nicht grundlos miteinander. Nicht einmal, wenn sie zu viel getrunken haben. Vielleicht setzt es ein paar kräftige Bemerkungen oder ein, zwei Hiebe. Aber dann legt sich das auch wieder und ist vorbei, stimmt’s?«
    »Vermutlich«, erwiderte er mürrisch.
    »Deshalb will ich, dass du jetzt reinen Tisch mit mir machst. Okay? Hörst du? Was hat diese Rauferei ausgelöst?«
    Mühsam schluckte der Junge. »Er ist einfach über mich hergefallen.«
    »Wieso?«
    »Ich hab mich nur verteidigt. Ehrenwort«, flennte er.
    »Ich wollte nicht mit ihm raufen. Es war eine Party.«
    »Warum ist er über dich hergefallen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Also, das ist nicht wahr, oder? Du weißt, warum er über dich hergefallen ist. Also sag’s mir. Warum ist dein bester Freund so durchgedreht, dass er angefangen hat, dich zu verprügeln?«
    Nach zwanzig Sekunden Schweigen nuschelte der Junge ein Wort. Ein Einziges.
    Hatch war unsicher, ob er richtig gehört hatte. Erstens, weil dabei der erste Donnerschlag des vorhergesagten Gewittersturms das kleine Fenstereck seiner Hütte erbeben ließ, und zweitens, weil ihm die Antwort des Jungen auf diese Frage merkwürdig vorkam.
    Der Offizier musste dasselbe gedacht haben. Irritiert schüttelte er den Kopf und beugte sich vor, um besser hören zu können. »Wie bitte? Lauter, mein Junge.«
    Der junge Mann hob den Kopf und fuhr sich mit dem Handrücken über die Nase. Er räusperte sich. Blinzelnd konzentrierte er sich mit seinem guten Auge auf den Offizier.
    »Neid«, sagte er barsch. »Darum geht es hier. Um Neid.«
     
    P.M.E.
St. Anne Island, Georgia
Februar 2002

Kapitel 1
    »Aber es muss doch etwas geben.« Ungeduldig trommelte Maris Matherly-Reed mit ihrem Bleistift gegen den Notizblock, auf den sie eine Reihe Dreiecke und eine Kringelkette gekritzelt hatte. Darunter hatte sie die Umrisse eines Buchumschlages skizziert.
    »P.M.E., korrekt?«
    »Korrekt.«
    »Bedauere, Ma’am, aber das steht nicht im Verzeichnis. Ich habe doppelt geprüft.«
    Die Idee für den Umschlag – ein autobiografischer Bericht der Autorin über die düstere Beziehung zu ihrer Stiefschwester – war Maris gekommen, während sie darauf wartete, dass die Auskunft die Telefonnummer lokalisierte. Eigentlich hätte der Anruf nur wenige Sekunden dauern dürfen, aber nun waren schon mehrere Minuten vergangen.
    »Haben Sie denn unter dieser Vorwahl keinen Eintrag für P.M.E.?«
    »Unter gar keiner Vorwahl«, erwiderte der Mann von der Auskunft. »Ich habe im ganzen US-Gebiet gesucht.«
    »Vielleicht handelt es sich um ein Geschäft, nicht um eine Privatadresse.«
    »Ich habe beides überprüft.«
    »Könnte es eine Geheimnummer sein?«
    »Auch die würde unter dieser Kennung erscheinen. Ich habe nichts mit diesen Initialen. Punktum. Wenn Sie einen Nachnamen hätten…«
    »Habe ich aber nicht.«
    »Dann tut es mir Leid.«
    »Danke für den Versuch.«
    Frustriert betrachtete Maris erneut ihre Skizze, ehe sie darüberkritzelte. Dieses Buch würde sie nie mögen, egal, wie der Umschlag aussah. Die inzestuösen Untertöne bereiteten ihr Bauchschmerzen. Außerdem befürchtete sie, dass eine größere Anzahl Leser ihr ungutes Gefühl teilen würde.
    Doch die Lektorin, die das Manuskript bearbeitet hatte, plädierte nachhaltig für einen Kauf. Das Thema garantierte der Autorin Auftritte im Fernsehen und bei Talkshows im Radio, Besprechungen in Zeitschriften und wahrscheinlich eine Option auf den Film der Woche. Und selbst bei schlechten Kritiken böte das Thema noch genügend Anreiz, um große Verkaufszahlen anzustoßen. Da sich die übrigen Entscheidungsträger in der Hardcover-Abteilung von Matherly Press dem Plädoyer der Lektorin für ihr Projekt angeschlossen hatten, hatte sich Maris der Mehrheit gebeugt. Jetzt hatte
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