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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Autoren: Raimund Fellinger
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Peter Fabjan
Eine Vorbemerkung
     
    Geehrte Leserin, geehrter Leser,
    der vorliegende Briefwechsel hat ebenso wie der gesperrt gehaltene private Teil uns Hinterbliebene – da vor allem meine mit dem Ordnen, der Abschrift und der Verwahrung betraute Schwester Susanna Kuhn – in einer Weise fasziniert, daß schon früh die Idee, ja der Wunsch nach seiner Freigabe zur Veröffentlichung aufgekommen ist. Jahrelange intensive Recherche der Herausgeber, für die wir großen Dank schulden, führte nun zu einem Ergebnis, das wir so spontan nicht akzeptieren haben können. Nimmt hier doch die Dokumentation der Arbeit des Verlegers für seine Chronik einen weit größeren Teil als der Briefwechsel selber ein. Und doch zeigt sich, auf einen zweiten Blick, daß beides zusammengehört und überaus informativ ist. Es führt uns die ganze Brillanz und Tragik der Beziehung dieser beiden ungewöhnlichen Persönlichkeiten vor Augen, und mit kaum einem anderen seiner Autoren dürfte Dr. Unseld so häufig zum persönlichen Gespräch zusammengekommen sein. Er war also von diesem seinem streitbaren Partner und Kontrahenten in besonderer Weise angezogen, ja gefordert, zuletzt sogar regelrecht überfordert. »Ich kann nicht mehr ~«, schreibt er nach beinahe einem Vierteljahrhundert des Miteinander seinem dem Tod entgegengehenden Autor. Dieser antwortet: »Dann streichen Sie mich aus Ihrem Gedächtnis und aus dem Verlag …«
    Jedes ›sich Ausliefern‹, ›sich an jemanden oder Etwas ausschließlich binden‹ ist diesem Autor zu Lebzeiten unerträglich gewesen, das Leben ihm nur im Widerspruch, in der Auseinandersetzung mit dem wahren Ich des anderen sinnvoll. Um dieses zu erfahren, seine Provokationen, seine Unterstellungen und Übertreibungen. Wurde darauf mit Betroffenheit reagiert, meinte er, »der ist mir in die Falle gegangen«. Die Sehnsucht nach menschlicher Nähe bei gleichzeitigem unabdingbarem Verlangen nach Distanz, sich selber nur in der Auseinandersetzung als real existent, als lebendig zu fühlen, waren das Lebenselixier für ihn, das Schreiben sein Mittel, sich aus dem eigenen Gefängnis, aus dem »finsteren Wald, in dem er als kleiner Vogel schreit«, Gehör zu verschaffen. Autor und Verleger, sie konnten zueinander nicht kommen, sind aber im Erfolg zusammengespannt gewesen. Und wenn Bernhard diesen seinen lebenslangen Mentor, der zuletzt meint, sich unversöhnlich geben zu müssen, enttäuscht einen »kleinen Geschäftemacher« schimpft, so hat er doch noch zu dessen 60. Geburtstag gemeint: »Unseld, welch’ ein Name, mir hat er Glück gebracht«, und der Verleger postum: »Ich habe diesen Mann geliebt«.

Der Briefwechsel
1961-1988
     

1961
     

1964
     

[3]
     
    Lovran / Jugoslawien
    Belveder
    16. Oktober 64
    Verehrter Herr Unseld,
    ich glaube keinen Gerüchten und ich unterschreibe nichts und ich sehe, im Augenblick, von mir aus, keine Veranlassung, den Inselverlag spontan zu verlassen. 1
    Das Frankfurter Klima hat einfach eine Unterredung zwischen Ihnen und mir verhindert.
    Ich komme jetzt lange Zeit nicht nach Frankfurt.
    Für Ihre Zeilen dankt aufrichtig
    Ihr ergebener
    Thomas Bernhard
    1   Im gleichen Sinn schreibt Th. B. am 24. November 1964 an Rudolf Hirsch: »Ich arbeite wie längere Zeit nicht mehr am Roman [ Verstörung ], der langsame Fortschritte macht. Wielang diese Arbeit an dem Buch dauert, kann ich nicht sagen und ist mir auch völlig gleichgültig. Bis dieses Buch aber nicht fertig ist, oder in solchem Zustand, dass ich glaube, es abschliessen zu müssen, unternehme ich, das Verlegerische betreffend, nichts. Ich lasse alles, wie es ist. [. . .] Es ist schade, dass Sie sich jetzt wieder von mir entfernen, gerade wo es mir recht gewesen ist, mit Ihnen unter einem Dach zu sein. Aber mit allen Menschen geht es einem immer auf diese krankhafte Weise. Ein Glück, dass Frau Botond noch im Haus bleibt. Es hätte ja wirklich keinen Sinn, ausser den einen Sinn, mich unnötig unsinniger Spannung auszuliefern, wenn ich jetzt von der Insel herunterspringen würde; es wäre auf jeden Fall ein Sprung ins eiskalte Wasser.« Einen Wechsel hat er allerdings zunächst geplant, denn am 29. September 1964 sendet Janko von Musulin, Geschäftsführer des S. Fischer Verlags, ihm den Entwurf eines Vertrags zu (in dem »alles richtig wiedergegeben ist, wie Sie es besprochen hatten«), der die Publikation eines Romans für 1965 vorsieht sowie aller weiteren Prosaarbeiten im Zeitraum von zwei Jahren nach
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