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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Autoren: Raimund Fellinger
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vergewaltigt im Weltspezialistentum; jeder einzelne ist nur ein kleiner Teil einer Zange (ohne Bewegungsmöglichkeit), eines Hammers (ohne Schlagvermögen) usf… . . Ich zweifle daran, dass ein Volk (wie das deutsche) eine Welt, wie die aus sich hinausentwickelnde, allein nur von Schlagwörtern leben kann. Die Deutsche Jugend (Deutschland) erschöpft sich in einem grauenerregenden abstossenden Feuilletonismus über die Berliner Mauer, das Nazitum und Randerscheinungen der Weltpolitik, wie Vietnam. Die Deutschen haben es nie verstanden, zu leben, und das von ihnen entfernteste Fremdwort ist für sie Die Noblesse.« (Siehe für das Zustandekommen der beiden Termine Fellinger, Vorbereitungen zu einem Geburtstagsessen .)

[25; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    28. Juni 1966
    Lieber Herr Bernhard,
    herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief vom 14. Juni. Er fiel in zwei sehr arbeitsreiche Wochen hinein: ich hatte für beide Verlage die Vertreter zu informieren, mußte ihnen also meine Bücher für das zweite Halbjahr 1966 »verkaufen«. Das ist nun alles gutgegangen. Damit ist für mich auch schon irgendwie Weihnachten, und ich kann mich jetzt mit größerer Ruhe den kommenden Dingen zuwenden.
    Ich freue mich, daß Sie mit dem Roman zu Rande kommen. Wenn ich Ihren Brief richtig zu lesen verstand, werden Sie im August hier sein. Es wäre natürlich ganz gut, wenn man vorher den Roman lesen könnte, oder brauchen Sie diese Augusttage in Frankfurt nochmals zu einer letzten Anregung?
    Sicherlich habe ich einen Fehler gemacht, indem ich Sie nicht informierte, daß die edition suhrkamp sehr weit vorausplant, d. h., jetzt ist das Programm definitiv bis April 1967 abgeschlossen. Aber wir haben für Mai und Juni 67 noch einige Titel-Nummern frei. Ich würde sehr gern einen Erzählungsband von Ihnen machen. Kann man die Erzählungen sehen? Die Titelerzählung kennen wir ja aus einem Abdruck in »Wort in der Zeit«. 1
    Natürlich interessieren wir uns auch für Ihr neues Theaterstück, wie überhaupt für alles, was von Bernhard kommt. Dies soll ebenso allgemein wie speziell gemeint sein.
    Alles Gute – ich hoffe, Sie bald zu sehen.
    Mit herzlichen Grüßen
    Ihr
    [Siegfried Unseld]
    1   Am linken Rand des Absatzes sind drei Sternchen getippt, die sich nach der Unterschrift von S. U. wiederholen. Der dazugehörige Text lautet: »hierüber hat Dr. U. heute gleich mit Herrn Busch [dem Redakteur der edition suhrkamp] telefoniert und den Titel ›Attaché an der französischen Botschaft‹ für Mai 67 festgelegt.« In der Zeitschrift Wort in der Zeit 10 (1965), H. 1-2, erscheint von Th. B. die Erzählung Ein junger Schriftsteller , die nicht in den Band Prosa aufgenommen wurde.

[26]
     
    Ohlsdorf
    4. 9. 66
    Lieber Herr Dr. Unseld,
    das abgeschriebene Stück eignet sich, glaube ich, gut für die Vorlesung im Haus meines Verlegers, weil es ein gutes Beispiel des Romans gibt, ich meine ein durchaus charakteristisches.
    Ich verletze wahrscheinlich damit das Gastrecht nicht.
    Meine Spannung ist die grösste, meine Reiselust auch, aber, nachdem ich mich nur kurz in Frankfurt aufhalten will, mache ich dann noch einen grossen ungefähr zweiwöchigen Bogen via Brüssel um Hessen herum, bis ich mich perlustrieren lasse. 1 Der Roman heisst »Die Ruhe« und ich wünsche den Titel nicht mehr zu ändern. 2
    Herzlich Ihr ergebener
    Thomas Bernhard

    P. S.: Ob Sie das Stück akzeptieren, möchte ich wissen und ich bitte um die kürzeste Formulierung in dieser Beziehung nach Ohlsdorf.
    1   Th. B. schreibt in Brüssel (60, rue de la Croix) in der Wohnung des befreundeten Ehepaars von Uexküll zwischen dem 23. September und dem 1. November 1966 die Verstörung nieder (vgl. Th. B.: Werke 2 , S. 213f.).
    2   Der Brief trägt den handschriftlichen Vermerk eines Dritten: »Eilboten«.

[27; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    9. September 1966
    Lieber Herr Bernhard,
    ich habe jetzt »Moser versucht es zum dritten Mal« gelesen und bin überzeugt worden. Ich möchte Sie also bitten, beim Kritiker-Empfang den Text zu lesen. Einige Kleinigkeiten werden Sie vorher im Gespräch mit Frau Dr. Botond noch ändern können. 1 Der Empfang findet statt am Donnerstag, den 22. September, 17 Uhr, in der Klettenbergstraße 35. Bitte finden Sie sich pünktlich ein. Wir werden in der Zwischenzeit alles versuchen, die schwierige Frage der Unterkunft zu lösen.
    Mit freundlichen Grüßen und auf Wiedersehen!
    Ihr
    Siegfried
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