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Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft
Autoren: Linzi Glass
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ist Kumalo das verdammt schwerste Geschütz von allen!«
    Christopher Kumalo war Mutters erfolgreichster Schützling gewesen. Er war vor knapp drei Jahren mit einer ramponierten Künstlermappe voll ungewöhnlicher Skizzen in ihre Galerie gekommen: Skizzen von Tauben in verschiedenen Stadien des Todes. Manche hatten sich in Stacheldrahtzäunen verfangen, ihre Eingeweide quollen heraus; andere lagen platt gewalzt unter Panzern, die wegen ihrer enormen Größe »Hippos« genannt wurden; sie rollten in die Townships ein und spuckten uniformierte Männer aus, die auf alles schossen, auch auf Kinder. Wieder andere Tauben auf Kumalos Skizzen lagen abgemagert und halb verhungert in dreckigen Gossen. Diese Blätter waren der ganze Reichtum, den Kumalo meiner Mutter brachte, Geld besaß er nicht, und er litt an Hepatitis.
    Ich erinnere mich an den Abend, als Mutter Kumalo mit nach Hause brachte und in unserem Gästezimmer übernachten ließ. Sie sorgte dafür, dass er von einem ihrer politisch aktiven Freunde, der Arzt war, behandelt wurde. Er kam spätabends im Schutz der Dunkelheit, um nach Kumalo zu sehen. Als er durch Mutters internationale Kontakte dann im Ausland als Künstler berühmt wurde, war Kumalo bereits in den Vierzigern. Das war vor knapp einem Jahr. Und auch in Südafrika begann sein Ruhm zu wachsen, sehr zum Verdruss der Regierung. Kumalo lebte heimlich in unserem Haus und verließ das Grundstück nur im Schutz der Nacht, wenn er nach Soweto zurückkehren wollte, um Eindrücke des Township-Lebens einzufangen. Gegen vier oder fünf Uhr morgens kam er dann wieder, und bevor er anfing, die nächtlichen Szenen und Bilder aus Soweto mit raschen energischen Strichen zu skizzieren, machten Mutter oder ich ihm eine heiße Schokolade. Seine Hast, mit der er das Gesehene festhielt, bevor die Polizei ihn würde ergreifen können, machte ihn zu einem nervösen, leidenschaftlichen und kompromisslosen Mann.
    Nach seiner letzten Verhaftung hatte Mutter ihn zu einem Kunsthändler nach Kapstadt geschickt, einer zwar sehr viel liberaleren und toleranteren Stadt als Johannesburg, aber trotzdem musste Kumalo auch dort auf der Hut sein. Schwarzer Ruhm zog gefährliche Untersuchungen nach sich. Nun wurde auch Mutters Galerie von der Geheimpolizei unter die Lupe genommen.
     
    »Wird es denn ein Verfahren gegen ihn geben?« Ich warf mich in den kühlen Ledersessel, der vor Dashels Tisch stand. Die Unterseiten meiner verschwitzten Beine hafteten wie Krakenarme an dem weichen glatten Leder.
    »Dein genialer Vater wird ihn mit einer juristischen Finte schon rausholen, keine Angst. Aber jetzt sag, was dich bedrückt, Kleines.« Dashel trank einen Schluck Mineralwasser aus einem Kristallglas.
    »Nichts … es ist eigentlich gar nichts … verglichen mit anderen Dingen …« Ich verstummte.
    »Als du eben wie eine verschreckte Antilope hier reingestürmt bist, war es noch wichtig.« Er fuhr mit dem Finger über den Rand des Glases. »Sei nicht so verdammt bescheiden! Es gibt in dieser Galerie nur Platz für eine Heilige, und dieser Platz ist bereits von deiner Mutter besetzt.«
    »Es ist wegen eines Jungen, Onkel D.«
    »Na, über Jungen weiß ich alles …« Er ließ ein strahlendes Lächeln aufblitzen. »Weiß der Himmel, manchmal wünschte ich, es wäre nicht so.«
    »Er sieht gut aus, ist intelligent und selbstbewusst.«
    »Klingt in meinen Ohren ziemlich traumhaft …« Dashel hob eine fein gezupfte Augenbraue. »Und reich ist er offenbar auch, wenn er auf dieselbe Schule geht wie du.«
    »Ich kann ihn nicht ausstehen. Aber er lässt mich einfach nicht in Ruhe!« In den Falten meiner feuchten Kniekehlen fing es an zu jucken.
    Dashel erhob sich, kam um den Tisch geschlendert und setzte sich, sorgfältig seine Hosenbeine glattstreichend, auf die Armlehne meines Sessels. »Na, na, na! Haben wir ein bisschen Fieber, oder sind es nur die Tage, Schätzchen?« Er legte seinen kühlen Handrücken auf meine Stirn.
    Ich stieß einen tiefen Seufzer aus und lehnte mich in das weiche Leder zurück. »Du verstehst das nicht. Keiner versteht es.« Mit geschlossenen Augen atmete ich den Geruch von Keramiklack und den Kiefernnadelduft des Bodenreinigers ein. Plötzlich stieg obendrein der feine Hauch von Mandarinenparfüm in meine Nase.
    »Was versteht keiner?«, fragte Mutter vergnügt. Ich musste nicht einmal die Augen öffnen, um zu wissen, dass sie jetzt mit ernstem Blick auf mich herabsah. Sie berührte leicht meinen Arm und tätschelte ihn.
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