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Fyrgar - Volk Des Feuers

Fyrgar - Volk Des Feuers

Titel: Fyrgar - Volk Des Feuers
Autoren: Uschi Zietsch
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1.
 
Der halbe Mensch
 
    Aldavinur hätte auf den Rat hören sollen.
    Nur wie hätte er ahnen können, was daraus erwachsen würde. Wie hätte er vom Verborgenen wissen sollen, das schon so lange existierte und nun erst zutage trat, wenn es doch nicht einmal die Götter erkannt hatten.
    Aber Aldavinur war es, der den Fehler beging, ans Ende seiner Weisheit zu gelangen.
    Der Morgen tropfte kühl auf den Fyrgar herab. Spinnweb war angebrochen und färbte die Welt vor seinen Augen grau. Der schwere Sturm der vergangenen Nacht hatte endlich nachgelassen, doch es sah nicht so aus, als würde das Wetter bald besser werden. Schwarze Wolken zogen zwischen den Gipfeln hindurch, und jedes Mal, wenn sie sich an schroffem Gestein stießen und sich verletzten, weinten sie bittere Tränen, die schwer auf Aldavinurs Fell platschten. Er schüttelte sich, und die Fontänen aus seinen Haaren vereinigten sich mit dem Wolkenblut und prallten auf Felskanten, fielen weiter hinab auf Klippen und Grate, sprangen in Rinnen und Gräben, flossen zusammen und schwollen weiter an. Breite Ströme ergossen sich in Schluchten und Senken wie Wasserfälle und rauschten in schäumenden Fluten immer steiler hinab in die ferne Welt dort unten, die darob zu bedauern war, fand Aldavinur, denn sie war schutzlos ausgeliefert.
    Die langen Grannenhaare legten sich wieder eng über das Unterfell, damit keine Feuchtigkeit hindurchdringen konnte, doch Aldavinurs Kopf und seine Pfoten waren triefnass, und dementsprechend mürrisch war seine Miene. Einige Angehörige seines Volkes schätzten den Regen, aber er gehörte nicht dazu. Die dichte Winterwolle seines blauschwarzen Fells saugte sich bei zu lange andauernden Schauern voll, wurde prall und schwer, und nahm ihm jeglichen Schwung in der Bewegung. An Jagd war dann kaum zu denken.
    »Meister!«
    Eine Stimme, hell wie ein Glockenläuten, drang in seine trüben Gedanken, schob den grauen Schleier einfach fort und ließ für einen Augenblick sogar den Regen innehalten. Aldavinur brummte und richtete die langen, spitzen Ohren auf, bewegte sie leicht in die Richtung, aus der die Stimme erklungen war.
    »Efrynn, wieso bist du so früh schon auf?«
    »Ich habe ein Geräusch gehört, Meister, und wollte nachsehen!«
    »Geräusche gibt es hier viele, närrisches Kind, selbst die Steine stoßen Töne aus, wenn sie in der glühenden Hitze ihre Hülle sprengen oder mit dem Regen plaudern, so wie jetzt.«
    Manche Flachländer dort unten suchten in einem Augenblick tiefer Lebensverzweiflung den Weg in die Berge, um Stille zu finden. Was für ein törichter Gedanke. Selbst die Kälte hatte hier oben vierunddreißig verschiedene Klänge, und erst der Ton des Schnees! Er war wechselvoll, je nach Tageszeit, oder wenn man ihn berührte. Aldavinur hatte einst an einem Wettstreit teilgenommen und als Sieger eintausendachthundert Schneetöne gezählt, doch das waren bei weitem nicht alle, die es gab. Und wie viel mehr erst erklangen bei Regen und wenn der Morgentau trocknete ... hier holten sich die Barden der Fyrgar ihre Inspiration, um ihre einzigartigen Melodien zu schaffen.
    »Meister, du hörst mir nicht zu!«
    »Sollte ich das?«
    Das Kind sprang lachend über die Felsklippen heran. Der Regen konnte seiner glatten Schuppenhaut nichts anhaben, er perlte einfach in funkelnden Tropfen ab. Alles an Efrynn war Farbe, selbst in diesem Morgengrau. Je nachdem wie das Licht auftraf, schimmerten seine Schuppen hell oder dunkel, in allen Farben des Regenbogens, ineinandergegossen und vermischt. Purpur und Violett herrschten an Kopf und Rumpf vor, durchsetzt von zarten Blautönen; am Bauch und an den Gliedmaßen wechselte es zu Grün und Gelb. Seine Kopfhörner fingen gerade an, sich auszubilden, und auch die Schuppen an seinen Wangen wurden allmählich länger. Ebenso wuchs sein kurzer Schwanz und bildete an der Spitze Stacheln aus.
    Die großen, stets fragend wirkenden Augen des Kindes schillerten ebenfalls vielfarbig wie edle Opale mit goldener Einfassung um die schlitzförmigen schwarzen Pupillen. Wie alle Kinder war Efrynn sehr lebhaft und kaum zu bändigen, ging jeden Tag auf Abenteuerreise und unternahm alle möglichen Versuche, sich den Hals zu brechen.
    »Der Regen hört auf«, bemerkte Efrynn strahlend, als er bei seinem Meister angekommen war.
    »Das ist mir nicht entgangen.«
    So war es doch meistens. Nicht einmal schlechtes Wetter konnte sich bei dieser Erscheinung halten. Das Kind war von einem ganz besonderen Glanz
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