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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman
Autoren: Jessica Grant
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Palast und verschloss die Tür. Unterdessen machte Audrey sich zum Trottel, weil sie in England nach ihr suchte.
    Die Maus hat einen Exponenten auf ihrem Ohr. Einen Exponenten, der sich gegen meinen vergleichsweise winzig ausnimmt.
    Gegenüber von meinem Schloss steht ein Spiegel, in dem ich unzählige Schildkröten sehen kann. Sechzig, wenn nicht mehr, die sich in einem Tunnel aus Glaspalästen verlieren. Schildkröte, komm! 60
    Anfangs lachte ich über den winzigen Mäuseexponenten. Und die Maus lachte über mich, als ich versuchte, die gemalte Fliege am Rand meiner neuen Wasserschüssel zu verspeisen. Ich wusste, dass die Fliege nicht echt war, aber manchmal lag ein Wassertropfen auf ihr, sodass es aussah, als ob die Fliege in 3-D auf dem Schüsselrand säße, und diesem appetitlichen Anblick konnte ich einfach nicht widerstehen.
    Wie gesagt, ich lachte über ihren Exponenten, bis zu jenem schicksalhaften Tag, als wir gemeinsam den Sonnenuntergang bewunderten und ich sah, wie das Licht von hinten durch ihr Ohr schien: Aus der 18 wurde eine 81.
    Scheiße.
    Wir sind zwar nicht direkt Freunde, haben jedoch ein Abkommen getroffen. Da sie tagsüber schläft und ich die Nachtruhe vorziehe, können wir das Wohnzimmer, das mich stark an eine Druidenuhr erinnert, rundum überwachen. Wir arbeiten in Zwölf-Stunden-Schichten und leisten denen, die da kommen und sich bei uns niederlassen, vornehme Gesellschaft. Das sind im Allgemeinen Audrey und Judd, manchmal aber auch ein Nachbar oder Verlaine.
    Es gibt Länder, die sowohl einen Präsidenten als auch einen Premierminister haben, wobei nicht immer ganz klar ist, welches Amt über die eigentliche Macht verfügt. Ich glaube, wir sind eines dieser Länder.
     
    Fehlt mir mein altes Pappmaché. Ja, manchmal schon. Aber seien wir ehrlich: Ich war die allzu farbige Prosa langsam leid. Außerdem war es leicht entflammbar.
    Und so ist es eigentlich kein Wunder, dass ich eines Nachts zufällig entdeckte, dass meine zinnenbewehrte Schlossmauer glühte wie eine orangefarbene Sonne. Ach, es hätte so schön sein können, wären der Rauch und das hartnäckige Knistern nicht gewesen. Ich steckte den Kopf durchs Fenster und ließ ein Salatblatt fallen. Hammel, hilf.
    Doch Cliff lag schlafend auf dem Futon. Korrigiere: lag sturzbesoffen auf dem Futon. Zu meinem Glück hatte Audrey drei Feuermelder in der Wohnung installiert. Einen für Vorhangbrände. Einen für Speiseeisbrände. Einen für Schlossbrände. Außerdem hatte sie drei entsprechende Feuerlöscher angeschafft. Der Schlossfeuermelder war im November erst mit einer frischen Neun-Volt-Batterie ausgestattet worden. Er hätte Tote wecken können. Was er auch tat. Cliff fuhr hoch und stieß sich den Kopf am Überhang. Ich zuckte zusammen. Inzwischen stand der Westflügel meines Schlosses in hellen Flammen. Ach du Scheiße Scheiße Scheiße, sagte Cliff und lief einen Moment lang buchstäblich im Kreis. Das kannte ich bisher nur aus Zeichentrickfilmen. Schließlich kriegte er doch noch die Kurve und schnappte sich den Feuerlöscher (den für Vorhänge, aber was soll’s) und zielte damit auf mein loderndes Gemäuer.
    Ich zog gerade noch rechtzeitig den Kopf ein, sonst hätte die Wucht des Schaumstrahls mich mit Sicherheit enthauptet.
    Als es vorbei war, drückte Cliff mich an seine Brust und lief mit mir kreuz und quer durch die Wohnung. Auf die Idee, die Küche aufzuwischen, kam er bezeichnenderweise nicht. Rund und rund ging es unter dem Übergang dahin. Dabei war mir sowieso schon schwindlig. Rauchvergiftung, wissen Sie.
    Schließlich setzte er sich auf den Futon, und wir schütteten uns gegenseitig das Herz aus. Ich bemerkte einen feuchten Schildkrötenabdruck auf seiner Brust. Ja, sagte er. Ich fürchte, das wird nichts mit uns beiden.
    Ich blinzelte aufwärts. Er blinzelte abwärts.
    Gott, Iris, äh, Winnifred, es tut mir wirklich leid.
    Schon gut.
    Tags darauf kam er mit einer strohgefüllten Lattenkiste nach Hause.
     
    Ein paar Tage nach meinem Eintreffen in Kanada kam Verlaine mit einer Zeitung vorbei und verkündete stolz, sie habe le belge endlich gefunden. Er heiße nicht Leonel de Tigrel.
    Im Ernst.
    Er heißt Gunter de Sitter, sagte sie. Er ist der neue Rektor der Universität und, wer hätte das gedacht, un suisse allemand .
    Das ist er, sagte Audrey und setzte sich mit der Zeitung an den Tisch. Der Löwe von der Beerdigung.
    Bien sûr ist er das.
    Hier steht, er hätte Vorwürfe zurückgewiesen, nach denen auf dem
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