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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass
Autoren: Serhij Zhadan
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schrie Dima begeistert. – Kurzum, Hermann, wir müssen zusammenhalten. Zusammen schnappen wir sie.
    – Hast du verstanden? – fragte mich Wladik streng.
    – Na klar, – antwortete Dima für mich, – mach dir keine Sorgen, wir nehmen alles auf unsere Kappe. Du musst nur vor Gericht aussagen, kriegst dein Geld zurück, und wir sehen uns nie wieder, klar? Alles Weitere erledigen wir.
    Einen Moment schwieg ich und betrachtete die Hündchen auf Wladiks Pantoffeln.
    – Versteh ich richtig, – fragte ich nach, – ihr wollt, dass ich gegen Bolik aussage?
    – Ja, – bestätigte Wladik. – Gegen Boris.
    – Und wieso, fuck, glaubt ihr, dass ich das mache?
    – Sie haben dich doch abgezockt, – sagte Dima verwundert.
    – Und das ist deiner Meinung nach ein Grund, seine Freunde zu verraten?
    – Was für Freunde, Hermann? – widersprach Dima hitzig. – Sie haben dich doch abgezockt.
    – Wie einen Blödarsch, – fügte Wladik noch hinzu.
    – Halt’s Maul, – sagte ich zu Wladik. – Hörst du? Maul halten.
    Wladik verstummte.
    – Schon gut. – Dima versuchte, ihn zu verteidigen. – Alles paletti.
    – Neee, – sagte ich immer noch zu Wladik, – ob du mich verstanden hast? Du sollst dein Maul halten.
    Wladik zog den Kopf ein, sein nasses Haar bedeckte die Schultern. Er schloss den Mund und schwieg. Ich aber wollte es mit ihm zu einem Ende bringen.
    – Ob du mich verstanden hast? – fragte ich Wladik. – Hast du mich verstanden?
    – Er hat verstanden, – antwortete Dima furchtsam. – Hermann, er hat verstanden.
    – Dann ist ja gut, – beruhigte ich mich. – Folgendes: ihr könnt heute noch hier übernachten, aber morgen haut ihr mit dem ersten Bus ab. Wenn ich euch noch mal hier sehe, seid ihr im Arsch, Leute.
    – Hermann, – versuchte Dima zu widersprechen. – Was soll das? Wir sind doch auf deiner Seite. Wir wollen sie doch bestrafen. Sie haben dich doch abgezockt, Hermann.
    – Wie alt bist du? – fragte ich ihn.
    – Vierundzwanzig, – antwortete Dima.
    – Und ich dreiundzwanzig, – fügte Wladik aus irgendeinem Grund hinzu.
    – Und du halt’s Maul, – unterbrach ich ihn. – Kerl, du bist erst vierundzwanzig, und hast schon so viel Scheiße gefressen. Verstehst du? Du glaubst, dass ich der Knete wegen anfange, meine Freunde zu verpfeifen? Du glaubst, dass ich sie des Geldes wegen verrate? Wo kriegen die solche wie euch bloß her, Jungs? Was habt ihr studiert?
    – Jura, – antwortete Dima kaum hörbar. Er sah verstört aus. Offenbar hatten sie sich unser Treffen anders vorgestellt.
    – Fuck, wo nehmen die bloß die ganzen Juristen her? – wunderte ich mich. – Kurzum, ich hab’s schon einmal gesagt – morgen seid ihr verschwunden. Und ich komme mit meinen Freunden schon alleine klar, ohne Juristen.
    Ich stand auf und ging zur Tür. Als ich schon fast draußen war, erhob sich Dima plötzlich vom Bett.
    – Hermann, – schrie er mir verzweifelt nach. – Aber wir haben doch schon alle Unterlagen! Haben alles zusammen! Du musst uns helfen, das ist doch auch in deinem Interesse! Wieso verstehst du das denn nicht! Hier, schau!
    Er packte das Notebook, öffnete es hastig und streckte es mir hin in dem Versuch, mir etwas zu zeigen. Der Computer wachte auf, fing leise summend an zu arbeiten und die mir schon bekannte Blondine erschien auf dem Bildschirm und machte sich mit neuen Kräften daran, das noch nicht Ausgesaugte auszusaugen.
    – Schau selbst, du Wichser, – riet ich ihm und schloss die Tür hinter mir.
    *
    Außerdem sagte ich dem Priester Folgendes:
    – Du redest gut und richtig. Ich stimme dir in fast allem zu. Aber da sagst du: die Schwachen und Schutzlosen. Und ich denke – Scheiße, warum das denn, Vater? Warum, Scheiße noch mal, sind sie schwach? Und warum glaubst du, dass sie schutzlos sind? Auch sie sind alle hier geboren und leben hier. Aber sie benehmen sich wie auf dem Bahnhof, verstehst du? Als ob der Zug schon bereitstünde und sie sich nur noch schnell von allen verabschieden müssten. Und für nichts mehr verantwortlich sind. Also können sie alles versauen und abbrennen, weil der Zug ja da ist, steht und wartet. So benehmen sie sich. Und ich verstehe nicht warum. Sie leben doch auch hier, die Wichser. In diesen Städten. Sind hier groß geworden. In die Schule gegangen. Haben die Schule geschwänzt und Fußball gespielt, ihr ganzes Leben hier gelebt. Warum hinterlassen sie also nur verbrannte Erde? Diese ganze Saubande, die aus allen Löchern kriecht,
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