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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass
Autoren: Serhij Zhadan
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mollig und langhaarig, im blauen Pyjama und in irgendwie weiblichen, flauschigen Pantoffeln. Im Gehen rubbelte er sich den Kopf mit einem gestreiften Handtuch trocken. Mich sah er zuerst gar nicht, schielte dann aber, als er die Anspannung im Blick seines Kameraden spürte, in meine Richtung und knöpfte schnell seine drei Knöpfe zu.
    – Das ist Hermann, – teilte ihm Dima mit falscher Freude in der Stimme mit.
    – Wladik, – sagte der Langhaarige kalt und schaute mich düster an.
    Er bewegte sich in meine Richtung und blieb dann stehen, um zu überlegen, ob er mir die Hand geben sollte oder nicht. Entschied sich dagegen. Auch ich hatte es nicht eilig, ihm seine zu schütteln.
    – Na so was, – sprach Dima weiter und musterte mich ohne Umstände. – Und wir haben dich gesucht. Gut, dass du gekommen bist. Stimmt’s, Wladik?
    – Stimmt, – sagte Wladik unzufrieden.
    Ich merkte, was das werden sollte. Wladik sah gewöhnlicher aus, und Dima hatte ihm die Rolle des bad guy zugewiesen. Er sollte mich bedrängen und einschüchtern. Wladik bedrängte mich auch. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes – er stand so dicht bei mir, dass ich sein Aftershave riechen konnte. Dima hielt sich vielleicht für ausgefuchster und versuchte, die Rolle des good guy zu spielen – des offenen, einfachen und mäßig frechen. Ihm sollte ich mein Herz ausschütten, und Wladik war einfach nur so da, als Möbel.
    – Wir sind sogar bei dir auf der Arbeit vorbeigefahren, – sagte Dima. – Haben deinen Bruder angerufen. Stimmt’s, Wladik?
    – Schon seit vier Tagen hängen wir hier rum, – warf Wladik drohend ein.
    Ich schaute dabei auf den Monitor, wo die Blondine dunkel flimmerte und ihre Beute nicht aus den Zähnen ließ. Wladik fing meinen Blick auf und sah die Blondine plötzlich auch. Und Dima, der bemerkte, dass wir beide etwas hinter seinem Rücken aufmerksam betrachteten, drehte sich hastig um und sah es ebenfalls. Wladik griff an ihm vorbei und klappte den Monitor herunter. Wollte an seinen Platz zurück, aber inzwischen hatte ich den Stuhl weggestellt, so dass sie nun wie zwei Schuljungen vor mir standen. Sie bemerkten das sofort. Man sah, dass es ihnen nicht gefiel, daher setzten sie sich synchron auf Dimas Bett, wobei sie vorsichtig über den verschütteten Joghurt staksten. Aber da saßen sie nun auch wie Schuljungen, ohne zu wissen, wohin mit ihren fahrigen Händen. Kurz gesagt, wir alle fühlten uns nicht unbedingt wohl. Aber es war notwendig, sich näher kennenzulernen.
    – Ja, – sprach wieder Dima, – wenn du dir wenigstens ein Telefon anschaffen würdest.
    – Wozu? – wollte ich wissen.
    – Damit man dich finden kann, – erklärte Dima. Wladik blinzelte in meine Richtung.
    – Und was wollt ihr?
    – Wir haben was mit dir zu regeln, – Dima war Wladik zuvorgekommen. – Du kennst Boris Kolisnytschenko?
    – Bolik?
    – Boris, – verbesserte mich Wladik kalt. – Kolisnytschenko.
    – Ja, kenn ich, – antwortete ich ebenso kalt.
    – Und ihr hattet Probleme miteinander? – fragte Dima fröhlich, – wegen Geld?
    – Wie kommst du denn darauf?
    – Das haben sie selbst erzählt, – lachte Dima.
    – Ja? – fragte ich. – Und was haben sie euch erzählt?
    – Haben erzählt, dass sie dich abgezockt haben, – lachte Dima wieder.
    – Wie einen Blödarsch, – fügte Wladik hinzu.
    – Das haben sie gesagt – wie einen Blödarsch? – fragte ich zweifelnd.
    – Also, »wie einen Blödarsch« haben sie nicht gesagt, – Dima machte einen Rückzieher, – aber so was Ähnliches.
    – Aber »wie einen Blödarsch« haben sie nicht gesagt, stimmt’s? – wiederholte ich.
    – Nein, haben sie nicht, – musste Dima zugeben.
    – Seht ihr, – sagte ich beruhigt.
    – Kurzum, – Wladik mischte sich grob wieder ein. – Was macht das für einen Unterschied. Auch unsere Klienten haben sie abgezockt. Lassen alle hängen.
    – Ja, – fuhr Dima fort, – höchste Zeit, ihnen das Handwerk zu legen. Aber es ist schwer, sie auf frischer Tat zu ertappen – schlau sind sie, die Schweine.
    – Und was hab ich damit zu schaffen? – fragte ich.
    – Also, Hermann, – wandte sich Dima vertrauensvoll an mich, – wenn du uns hilfst, dann schnappen wir sie.
    – Hör gut zu, – warf Wladik drohend ein.
    – Also, wenn du als Zeuge aussagst, dann sind sie im Arsch. Sie haben dich doch abgezockt, stimmt’s?
    – Stimmt, – bestätigte Wladik an meiner Stelle.
    – Und unsere Klienten haben sie auch abgezockt! –
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