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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin
Autoren: Tracy Chevalier
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schwarzen Sprenkel in der braunen Iris.
    Â»Halt meine Hand, Honor Bright«, sagte er.
    Und sie hielt seine Hand, drückte sie fest, bis das Licht in ihm verblasste.

Faithwell, Ohio
    10. des 3. Monats 1852
    Liebste Biddy,
    dies ist der letzte Brief, den ich Dir aus Faithwell schreibe. Danach muss ich meine Schreibsachen zusammenpacken und mit unseren anderen Habseligkeiten auf dem Wagen verstauen. Morgen werden Jack, Comfort und ich in den Westen aufbrechen. Den ganzen Winter lang haben wir überlegt, wohin wir ziehen sollen, jetzt werden wir erst einmal bis Wisconsin fahren, wo bereits Freunde aus Faithwell leben. Sie haben nur Gutes berichtet. Für Milchbauern sind die Aussichten dort nicht schlecht, außerdem habe ich gehört, dass große Teile des Westens noch Prärie sind, weite offene Flächen mit nur wenigen Bäumen. Darauf freue ich mich.
    Wir haben abgewartet, bis der Winter vorbei ist und Dorcas geheiratet hat. Letzte Woche war die Hochzeit. Ihr Mann ist Milchbauer und wird den Hof übernehmen – und Judith Haymaker übernimmt er auch. Wir haben es ihr überlassen, ob sie mit uns kommt oder in Faithwell bleibt, doch ich bin erleichtert, dass sie sich zum Bleiben entschlossen hat. Sie sagt, sie sei in ihrem Leben oft genug umgezogen, was ich gerne als Grund akzeptiere.
    Wir nehmen nicht viel mit, denn wir können alles kaufen oder neu machen, wenn wir am Ziel sind. Nur vier Quilts kommen ins Gepäck. (Deshalb bin ich besonders froh, dass ich Dir Deinen Quilt zurückgeschickt habe!) Natürlich nehme ich den Signaturquilt aus Bridport mit. Die Namen auf ihm sind mir lieb und teuer, ich werde mich niemals von ihm trennen, wo immer ich auch hingehen werde. Auch den Hochzeitsquilt, den die Frauen von Faithwell so hastig für mich gemacht haben, werde ich einpacken. Ich habe zwar schon schönere Nähte gesehen, aber er ist warm, was manchmal das Wichtigste an einem Quilt ist. Für Comfort habe ich einen kleinen Kinderquilt gemacht, für den ich Stoffe aus Dorset und Ohio verwendet habe. Es ist ein Patchwork in einem Muster, das sie hier »Stern von Ohio« nennen. Die Sterne sind aus braunen, gelben, roten, cremefarbenen und rostbraunen Dreiecken und Vierecken zusammengesetzt. Comfort schläft gut unter ihm. Und dann habe ich noch einen Quilt von einer Negerin geschenkt bekommen. Sie heißt Mrs Reed, und ich hatte den Quilt aus kleinen blauen, cremefarbenen, braunen und gelben Stofffetzen einmal in ihrem Haus bewundert. Er ist ganz anders als die Quilts, die wir kennen, und so kunterbunt und scheinbar willkürlich zusammengesetzt, dass man ihn nur schwer beschreiben kann. Ich würde gern lernen, solche Quilts zu machen. Vielleicht gelingt es mir im Westen.
    Sicher freut es Dich zu hören, dass ich zum ersten Mal in einer Andacht Zeugnis abgelegt habe. Es geschah in meiner letzten Andacht in Faithwell. Eigentlich hatte ich immer gedacht, dass meine innersten Gefühle sich nicht in Worte fassen lassen, doch an dem Tag spürte ich, wie der Geist mich drängte zu sprechen. Ich musste den anderen Freunden erklären, warum ich den entflohenen Sklaven auch weiterhin helfen werde – bis zu dem Tag, an dem die Sklaverei in diesem Land abgeschafft ist. Dieser Tag wird kommen, davon bin ich fest überzeugt. Er muss kommen. Als ich mich wieder auf meinen Platz setzte, war die Luft im Raum schwer von Gedanken. Später hat mich der Schmied dafür gelobt, dass ich geredet habe. Er sagte, ich hätte endlich meine Stimme gefunden.
    Es fällt mir nicht schwer, Ohio zu verlassen und in den Westen zu gehen, ich bedauere nur, dass es mich noch weiter von Dir wegführt, Biddy. Sobald wir einen Ort gefunden haben, an dem wir uns niederlassen wollen, werde ich Dir wieder schreiben. Weil Du immer an einem Ort bleibst, liebe Freundin, kann ich leichter weiterziehen, denn Du bist mir Fixstern und festes Ufer, auf das ich zurückblicken kann. Nach der Reise über den Ozean wollte ich mich nie wieder vom Fleck rühren, doch jetzt bin ich froh, mich zum Weiterziehen entschlossen zu haben.
    Doch natürlich habe ich auch Angst. Sicher werde ich heute Nacht nicht schlafen können, weil ich immer an das denken muss, was vor uns liegt. Doch es ist anders als damals, als ich Bridport zusammen mit Grace verlassen habe. Damals bin ich weggelaufen, es kam mir vor, als ginge ich mit geschlossenen Augen und ohne festen Halt. Doch jetzt sind meine Augen weit
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