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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin
Autoren: Tracy Chevalier
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aufgebraucht. Honor begriff, dass sie nicht in Wellington bleiben konnte. Die Frage war nur, ob sie dieses Gefühl von Zugehörigkeit irgendwo anders finden würde.
    Plötzlich krachte es so laut, dass Belle und Mrs Reed aufschrien. Honor hingegen wurde, genau wie ihre Tochter, vor Schreck ganz still, erst einige Sekunden später begann Comfort laut zu kreischen.
    Donovan hatte die Hintertür aufgebrochen. Er hatte mit solcher Gewalt dagegengetreten, dass sie sich aus den Angeln hob, zu Boden krachte und das Glas darin zersplitterte. Die Frauen sprangen auf und wirbelten herum, wobei Mrs Reed Comfort fest gegen die Brust drückte.
    Â»Herrgott noch mal, Donovan, was soll das?«, rief Belle. »Welcher Teufel reitet dich, meine Tür aufzubrechen? Den Schaden wirst du mir bezahlen. Nein, verdammt, du wirst sie mir persönlich reparieren.«
    Â»Die Damen scheinen eine kleine Teeparty abzuhalten«, sagte Donovan spöttisch. »Tut mir leid, dass ich störe, aber ich suche jemanden.«
    Â»Die ist schon weg. Du kommst eine Woche zu spät.«
    Â»Nein, sie ist nicht weg, sie steht genau dort.« Er grinste Mrs Reed an.
    Â»Was wollen Sie von mir?«, fragte Mrs Reed mit grimmiger Miene. Comfort kreischte jetzt nicht mehr, sondern wimmerte nur noch vor sich hin.
    Â»Bringt das verdammte Baby zum Schweigen«, knurrte Donovan.
    Mrs Reed reichte Comfort an Honor weiter, die ihre Tochter in ihren Schal wickelte, um sie vor der kalten Luft zu schützen, die durch das klaffende Loch, wo früher eine Tür gewesen war, in den Raum drang.
    Â»Was wollen Sie von mir?«, wiederholte Mrs Reed.
    Â»Ich will ein kleines Geschäft mit dir machen. Dein alter Besitzer in Virginia wird sich freuen, dich nach so langer Zeit wiederzusehen. Auch wenn du mittlerweile ein altes Weib bist, wird er noch ein bisschen Arbeit für dich haben.«
    Â»Wie kommst du dazu, du Dreckskerl?«, unterbrach Belle ihn. »Sie ist eine freie Frau und lebt in Oberlin.«
    Â»Ich weiß sehr genau, wo Mrs Reed wohnt, liebe Schwester«, erwiderte Donovan. »In dem kleinen roten Haus in der Mill Street, wo ein ständiges Kommen und Gehen herrscht. Ich weiß alles über sie. Vor zwölf Jahren ist sie ihrem Besitzer davongelaufen, zusammen mit ihrer Tochter. Keine Sorge, die schnappe ich auch noch – und die kleine Enkelin dazu. Ich bringe euch alle drei zurück. Das lohnt sich schon allein wegen des Babys. Es wird später mal eine prächtige Sklavin abgeben – wenn die Freiheit sie nicht schon verdorben hat.« Er sprach das Wort Freiheit aus, als handele es sich um eine Krankheit.
    Â»Das darfst du nicht«, protestierte Belle. »Das Gesetz schützt sie. Und das Baby wurde in Freiheit geboren.«
    Â»Du weißt ganz genau, dass das neue Sklavengesetz mir erlaubt, sie zurückzubringen. Selbst wenn sie schon vor vielen Jahren weggelaufen ist.« Er wandte sich an Mrs Reed. »Wie kommst du überhaupt dazu, mit meiner Schwester und Honor Bright Kaffee zu trinken? Das war doch ein Risiko, dich so weit von zu Hause wegzuwagen. Hast du das wegen ihr gemacht?« Er machte eine ruckartige Kopfbewegung in Honors Richtung.
    Mrs Reed sagte nichts, sondern presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen.
    Comfort weinte nicht mehr, hatte dafür aber einen Schluckauf bekommen. »Donovan, bitte lass Mrs Reed in Ruhe«, flehte Honor leise. Sie wusste, warum er das tat. Er wollte sie dafür bestrafen, dass sie ein Kind mit Jack hatte. »Comfort und ich werden morgen aus Wellington weggehen und dir nie mehr unter die Augen kommen. Bitte.«
    Â»Zu spät.« Donovan schaute Honor und Comfort mit leerem Blick an, und Honor begriff, dass in seinem Kopf etwas zurückgeschnappt war. Es war seine alte Art zu denken, die es ihm jetzt leicht machte, hart zu bleiben. Der Moment, in dem sie nebeneinandergestanden und auf die Baumstumpfreihe am Rand von Oberlin hinausgeblickt hatten, schien Ewigkeiten weit zurückzuliegen.
    Donovan zog einen Strick aus der Tasche. Als rechne er mit Widerstand, packte er in einer blitzschnellen Bewegung Mrs Reeds Hände, verschränkte sie hinter ihrem Rücken und fesselte sie. Mrs Reed leistete keinerlei Widerstand. Sie blickte Donovan nur über die Schulter hinweg an, doch ihre Augen waren hinter den funkelnden Brillengläsern nicht zu sehen.
    In dem Moment sprang Belle auf ihren Bruder zu wie eine Katze, hängte sich
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